Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
steckten? Wollen Sie darauf hinaus?«
Willard wusste nicht, worauf er hinauswollte. Dem Priester zufolge wusste nur Gott allein, worauf der Mensch hinauswollte. Er leckte sich die trockenen Lippen, dachte an den Whiskey in seinem Seesack. »Ich will auf Folgendes hinaus: Wenn es hart auf hart kommt, dann leiden am Schluss alle«, erklärte Willard.
»Tja«, meinte der Busfahrer, »ich hätte nur ganz gern erst meinen Orden gehabt, bis es so weit ist. Verdammt, ich habe eine Frau zu Hause, die wird ganz närrisch, wenn sie einen Orden sieht. Erzählen Sie mir was von Leid. Ich bin schon ganz krank vor Sorge, wenn ich unterwegs bin, sie könnte mit so einem Ordensträger durchbrennen.«
Willard beugte sich vor, und der Fahrer spürte den heißen Atem des Soldaten in seinem fetten Nacken, roch die Whiskeyausdünstungen und den schalen Hauch eines billigen Essens. »Glauben Sie, Miller Jones würde es interessieren, wenn seine Alte ihn betrügen würde?« fragte Willard. »Kumpel, er würde liebend gern mit Ihnen tauschen.«
»Wer zum Teufel ist Miller Jones?«
Willard sah durch die Scheibe hinaus; der im Dunst liegende Gipfel des Greenbrier Mountain tauchte in der Ferne auf. Ihm zitterten die Hände, seine Stirn glänzte vor Schweiß. »Ein armer Mistkerl, der in dem Krieg gekämpft hat, um den die Sie gebracht haben, mehr nicht.«
Willard wollte gerade aufgeben und eine der Flaschen anbrechen, als sein Onkel Earskell seinen klapprigen Ford vor der Greyhoundstation in Lewisburg zum Stehen brachte. Willard hatte fast drei Stunden auf einer Bank vor dem Gebäude gesessen, sich an einem kalten Kaffee in einem Papierbecher festgehalten und den Leuten zugeschaut, die am Pioneer Drugstore vorbeigingen. Er schämte sich für die Art, wie er mit dem Busfahrer gesprochen hatte, und es tat ihm leid, den Namen des Marine so missbraucht zu haben; er schwor, dass er Gunnery Sergeant Miller Jones niemals vergessen, ihn aber niemandem mehr gegenüber erwähnen würde. Unterwegs griff er in seinen Seesack und gab Earskell eine der Flaschen und eine deutsche Luger. Kurz vor seiner Entlassung hatte er auf der Basis in Maryland ein japanisches Zeremonialschwert gegen die Pistole eingetauscht. »Das ist angeblich die Waffe, mit der sich Hitler das Hirn weggepustet hat«, sagte Willard und unterdrückte ein Grinsen.
»Blödsinn«, sagte Earskell.
Willard lachte. »Was? Glaubst du, der Kerl hat mich angelogen?«
»Ha!« machte der alte Mann. Er drehte den Verschluss von der Flasche, nahm einen langen Schluck und schüttelte sich. »Herr im Himmel, das ist guter Stoff.«
»Trink aus. Ich hab noch drei im Seesack.« Willard öffnete eine weitere Flasche und zündete sich eine Zigarette an. »Wie geht’s meiner Mutter?«
»Tja, ich muss schon sagen, als Junior Carvers Leiche nach Hause zurückkam, da hatte sie für eine Weile nicht mehr alle beisammen. Aber sie hat sich wieder gefangen.« Earskell nahm einen weiteren Schluck und stellte sich die Flasche zwischen die Beine. »Sie hat sich nur Sorgen um dich gemacht, das ist alles.«
Langsam kamen sie in die Hügel Richtung Coal Creek. Earskell wollte ein paar Kriegsgeschichten hören, doch das Einzige, wovon sein Neffe die folgende Stunde sprach, war diese Frau, die er in Ohio gesehen hatte. Earskell hatte Willard in seinem ganzen Leben noch nicht so viel reden hören. Er wollte ihn fragen, ob es tatsächlich stimmte, dass die Japse ihre Toten aßen, wie es in der Zeitung gestanden hatte, aber das konnte wohl warten, schätzte er. Außerdem musste er sich auf das Fahren konzentrieren. Der Whiskey ging fürchterlich glatt runter, und seine Augen waren auch nicht mehr so gut wie früher. Emma hatte nun schon so lange auf die Rückkehr ihres Sohnes gewartet, da wäre es doch eine Schande, wenn er einen Unfall baute und sie beide umbrachte, bevor sie ihn zu sehen bekam. Earskell kicherte ein wenig bei diesem Gedanken. Seine Schwester war eine der gottesfürchtigsten Menschen, die er je kennengelernt hatte, aber sie würde ihm bis in die Hölle folgen, um ihn dafür büßen zu lassen.
»Was findest du denn genau an diesem Mädchen?« wollte Emma Russell von Willard wissen. Es war fast Mitternacht gewesen, als Earskell und er den Ford am Fuß des Hügels abgestellt hatten und den Weg zu der kleinen Blockhütte hinaufgegangen waren. Als er zur Tür hereinkam, musste Emma eine ganze Weile weinen, sie klammerte sich an ihn und durchnässte die Brustseite seiner Uniform mit ihren Tränen. Er
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