Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
Patronen, holte mit der Waffe wie mit einem Baseballschläger aus und schlug sie gegen den Baum, bis sie in mehrere Teile zerbrach. Als er sich umdrehte und zum Pick-up gehen wollte, sah er Snooks Snyder mit einer auf ihn gerichteten klobigen Pistole in der Tür stehen. Willard tat ein paar Schritte auf die Veranda zu. »Wenn du auch was von dem abhaben willst, was er gekriegt hat, alter Mann«, sagte er mit lauter Stimme, »dann komm nur her. Ich schieb dir die Waffe in den Arsch.« Dann blieb er stehen und wartete, bis Snooks die Tür hinter sich schloss.
Willard stieg wieder in den Wagen und griff unter dem Sitz nach einem Lumpen, um sich das Blut von den Händen zu wischen. »Weißt du noch, was ich dir neulich gesagt habe?« fragte er Arvin.
»Wegen der Jungs im Bus?«
»Ja, das habe ich damit gemeint«, sagte Willard und nickte zu dem Jäger hinüber. Dann warf er den Lumpen aus dem Fenster. »Du musst nur den richtigen Augenblick abwarten.«
»Jawohl.«
»Da draußen rennen jede Menge nichtsnutziger Mistkerle herum.«
»Mehr als hundert?«
Willard lachte kurz auf und legte einen Gang ein. »Ja, mindestens.« Dann ließ er langsam die Kupplung kommen. »Ich glaube, wir behalten das besser für uns, okay? Hat ja keinen Zweck, dass sich deine Ma deswegen aufregt.«
»Nein, das braucht sie nicht.«
»Gut«, sagte Willard. »Na, wie wär’s jetzt mit einem Schokoriegel?«
Noch für lange Zeit hielt Arvin, wenn er daran zurückdachte, das für den wohl besten Tag, den er mit seinem Vater jemals verbracht hatte. Nach dem Abendessen folgte er ihm zum Gebetsbaum. Der Mond, ein Splitter eines uralten, gebleichten Knochens, begleitet von einem einzelnen schimmernden Stern, ging bereits auf, als sie dort eintrafen. Sie knieten nieder, und Arvin sah hinüber zu den abgeschürften Fingerknöcheln seines Vaters. Als Charlotte ihn gefragt hatte, hatte Willard geantwortet, er habe sich die Hand bei einem Reifenwechsel verletzt. Arvin hatte seinen Vater bis dahin noch nie lügen hören, aber er war sicher, Gott würde ihm vergeben. In jener Nacht waren in den stillen, dämmrigen Wäldern die Geräusche, die von der Senke heraufkamen, besonders deutlich zu hören. Unten am
Bull Pen
klang das Geklapper der Hufeisen, die an die Metallpflöcke schlugen, wie Kirchenglocken, und die wilden Rufe und Schimpfereien der Betrunkenen erinnerten den Jungen an den Jäger, der blutüberströmt im Schlamm lag. Sein Vater hatte dem Mann eine Lektion erteilt, die dieser nie vergessen würde; das nächste Mal, wenn sich jemand mit ihm anlegen wollte, würde Arvin dasselbe tun. Er schloss die Augen und betete.
I. TEIL
OPFER
1.
Es war ein Mittwochnachmittag im Herbst 1945, kurz nach Ende des Krieges. Der Greyhound hielt wie üblich in Meade, Ohio, einer kleinen, nach faulen Eiern stinkenden Gemeinde mit einer Papierfabrik, eine Stunde südlich von Columbus. Fremde beklagten sich über den Gestank, doch die Ortsansässigen prahlten gerne damit, dass dies der süße Duft des Geldes sei. Der Busfahrer, ein weicher, zu kurz geratener Mann mit Plateauschuhen und einer schlaffen Fliege, hielt in der Gasse neben dem Busbahnhof und kündigte eine vierzigminütige Pause an. Er hätte gern einen Kaffee getrunken, doch sein Magengeschwür meldete sich wieder. Er gähnte und nahm einen Schluck aus einer Flasche mit rosafarbener Medizin, die auf dem Armaturenbrett stand. Der Schornstein auf der anderen Seite des Ortes, das bei Weitem höchste Bauwerk in diesem Winkel des Bundesstaates, rülpste eine weitere schmutzig braune Wolke aus. Man konnte den Schornstein meilenweit sehen, qualmend wie ein Vulkan, der kurz davorstand, seine dürre Spitze abzusprengen.
Der Busfahrer ließ sich auf seinem Sitz zurücksinken und zog sich die Ledermütze über die Augen. Er wohnte außerhalb von Philadelphia, und er dachte, wenn er jemals an einem Ort wie Meade, Ohio, leben müsste, dann würde er sich auf der Stelle erschießen. In diesem Ort fand man nicht mal eine Schüssel Salat. Alles, was die Menschen hier zu essen schienen, war Fett und noch mehr Fett. Wenn er diesen Fraß essen würde, dann wäre er in zwei Monaten tot. Seine Frau sagte ihren Freundinnen immer, dass er empfindlich sei, doch bei dem Ton ihrer Stimme fragte er sich manchmal, ob sie wirklich Mitgefühl hegte. Ohne sein Magengeschwür wäre er in den Krieg gezogen wie die anderen Männer auch. Er hätte einen ganzen Trupp Deutscher abgeschlachtet und seiner Frau gezeigt, wie verdammt
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