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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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Pilatus lästern hören. Er sah zu der Luger hinunter, die neben Earskells Teller auf dem Tisch lag.
    »Was? Du weißt noch nicht mal, wie sie heißt?«
    »Hab nicht gefragt«, entgegnete Willard. »Aber ich hab ihr einen Dollar Trinkgeld gegeben.«
    »Das vergisst die nicht«, sagte Earskell.
    »Na, vielleicht solltest du erst mal beten, bevor du wieder nach Ohio gehst«, meinte Emma. »Das ist ein ziemlicher Weg.« Ihr ganzes Leben hatte sie geglaubt, dass die Menschen dem Willen des Herrn folgen sollten, nicht ihrem eigenen. Man musste einfach darauf vertrauen, dass sich alles in dieser Welt so entwickeln würde, wie es vorgesehen war. Doch dann hatte Emma diesen Glauben verloren und mit Gott geschachert, so als sei er nichts weiter als ein Pferdehändler mit einem Stück Kautabak im Mund oder ein zerlumpter Kesselflicker, der von Haus zu Haus zieht und seine zerbeulten Töpfe verhökert. Nun musste sie zumindest versuchen, ihren Teil des Handels einzuhalten, ganz gleich, was dabei am Ende herauskam. Danach würde sie alles dem Herrn überlassen. »Ich glaube, das würde nicht schaden, oder? Wenn du mal beten würdest deswegen?« Emma drehte sich um und deckte den Rest des Bratens mit einem sauberen Geschirrtuch zu.
    Willard pustete in seinen Kaffee, nahm einen Schluck und verzog den Mund. Er dachte an die Kellnerin, an die winzige, kaum sichtbare Narbe über ihrem linken Auge. Willard sah zu seinem Onkel hinüber, der sich eine Zigarette zu drehen versuchte. Earskells Hände waren von der Arthritis schon ganz knotig und verwachsen, die Knöchel groß wie Vierteldollar-Münzen. »Nein«, sagte Willard und goss sich etwas Whiskey in die Tasse, »schaden würde es nicht.«

2.
    Willard hatte einen Kater, er zitterte und saß allein in einer der Bänke in der
Church of the Holy Ghost Sanctified
in Coal Creek. Es war Donnerstagabend, fast halb acht, aber der Gottesdienst hatte noch nicht angefangen. Es war der vierte Abend in der alljährlichen Erweckungswoche der Kirche, die auf säumige Gemeindemitglieder abzielte und jene, die bislang noch nicht gerettet worden waren. Willard war nun schon seit über einer Woche daheim, und das war der erste Tag, an dem er nüchtern geblieben war. Letzte Nacht waren Earskell und er ins Lewis Theater gegangen, um sich John Wayne in
Stahlgewitter
anzuschauen. Nach der Hälfte des Films war er aus dem Kino gegangen, so sehr widerte ihn die Verlogenheit des Ganzen an, und am Schluss hatte er sich in der Poolhalle an der Straße geprügelt. Er schreckte hoch, sah sich um, bewegte die wunde Hand. Emma war noch immer vorn. An den Wänden hingen verrußte Lampen, auf halber Länge des Kirchenraums stand rechts am Gang ein verbeulter Holzofen. Die Kiefernbänke waren von über zwanzig Jahren Gottesdienst glatt gewetzt. Die Kirche war noch immer derselbe bescheidene Ort, doch Willard fürchtete, dass er sich wohl ziemlich verändert hatte, seit er in Übersee gewesen war.
    Reverend Albert Sykes hatte die Kirche 1924 gegründet, kurz nachdem ein Schacht in der Kohlenmine eingestürzt war und er mit zwei anderen Männern, die dabei ums Leben kamen, verschüttet worden war. Er selbst hatte sich dabei beide Beine mehrfach gebrochen. Er kam an die Packung Five-Brothers-Kautabak in Phil Drurys Tasche heran, aber nicht an das Marmeladensandwich, das Burl Meadows in seiner Tasche hatte, wie er wusste. Am dritten Tag berührte ihn der Heilige Geist, so sagte Sykes später. Ihm ging auf, dass er sich bald den beiden Männern neben sich anschließen würde, die schon nach Tod rochen, aber das machte ihm nichts mehr aus. Ein paar Stunden später, als er gerade schlief, durchbrachen die Rettungsleute den Schutt. Einen Augenblick lang war er davon überzeugt, das Licht, das ihm in die Augen schien, sei das Antlitz Gottes. Eine gute Geschichte für die Kirche, und stets gab es eine Menge Hallelujas, wenn er an diese Stelle kam. Willard schätzte, dass er den alten Prediger im Laufe der Jahre wohl hundert Mal diese Geschichte hatte erzählen hören, während dieser vor der dunklen Kanzel hin und her gegangen war. Am Ende zog er immer die leere Packung Five Brothers aus der Tasche seines dünnen Anzugs und reckte sie mit beiden Händen nach oben. Er hatte sie stets bei sich. Viele der Frauen um Coal Creek, vor allem jene, die noch immer Ehemänner und Söhne in den Minen hatten, behandelten die Packung wie eine Reliquie und küssten sie, wann immer sie die Gelegenheit dazu hatten. Tatsache war, dass Mary

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