Das Harvard-Konzept
Limit gemeinsam festsetzen – das verhindert, dass einer davon der Gegenseite signalisiert, man könne doch noch darunter abschließen. Es schränkt die Verfügungsmacht eines Rechtsanwalts, eines Maklers oder auch irgendeines anderen Agenten ein. »Holen Sie den höchsten Preis heraus, aber Sie sind nicht befugt, unter 400 000 Euro zu verkaufen.« Wenn Sie zum Beispiel im Rahmen von verschiedenen Arbeitnehmerorganisationen mit den Arbeitgebern verhandeln, mindert ein festgesetztes Limit das Risiko, dass einer der Beteiligten aufgrund von Angeboten der Gegenseite einen Alleingang unternimmt.
Allerdings fordert der Selbstschutz mithilfe eines Limits auch einen hohen Preis. Er schränkt nämlich auch Ihre Fähigkeit ein, von dem zu profitieren, was Sie erst während der Verhandlung erfahren. Ein Limit ist ja per definitionem eine unverrückbare Position. Derart, dass Sie Ihre Ohren an dieser Stelle verschließen müssen und dabei bleiben, dass nichts, was die Gegenseite vorbringt, Sie zur Erhöhung respektive Verminderung Ihres Limits veranlassen kann.
Ein Limit behindert auch die Ausbreitung jeglicher Fantasie. Es drängt den Anreiz zur Entwicklung einer maßgeschneiderten Lösung zurück, die unterschiedliche Interessen in einer für beide Seiten vorteilhaften Weise verbinden würde. Nahezu jede Verhandlung umfasst mehr als eine Variable. Statt Ihre Liegenschaft für 400 000 Euro zu verkaufen, könnte es Ihren Interessen dienlicher sein, wenn Sie bei 360 000 abschließen, dazu aber eine Wiederverkaufsklausel einsetzen, das Verkaufsdatum hinausschieben (und das Anwesen somit zunächst selbst weiter benutzen), das Recht auf Verwendung des Speichers als Lager für zwei Jahre festschreiben oder ein Rückkaufsrecht für zwei Hektar des Weidelandes fixieren. Wenn Sie stattdessen auf Ihrem Limit bestehen, werden Sie kaum eine fantasievolle Lösung solcher Art finden. Ein Limit – da von Natur aus starr – erweist sich meistens als zu unbeweglich.
|144| Darüber hinaus wird ein Limit sehr gerne zu hoch festgesetzt. Nehmen Sie an, Sie sitzen mit Ihrer Familie beim Frühstück und beschließen über den niedrigsten Preis, den Sie für Ihr Haus gerade noch akzeptieren wollen. Das eine Familienmitglied schlägt 430 000 Euro vor, das andere meint: »Wir sollten doch mindestens 500 000 Euro kriegen.« Das dritte wirft ein: »500 000 Euro für
unser
Haus? Das wäre ja glatter Diebstahl. Es ist mindestens 540 000 Euro wert.« Dagegen kann nun wiederum niemand aus der Runde etwas einwenden – zumal ja alle von einem höheren Preis profitieren würden. Hat man ein solches Limit aber erst einmal beschlossen, kann man es kaum mehr verändern, und das kann den Verkauf dann auf Jahre hinaus unmöglich machen. Unter anderen Umständen kann ein Limit durchaus auch einmal zu niedrig angesetzt sein; dann wäre es besser gewesen, nicht zu verkaufen, sondern zu vermieten.
Noch einmal also: Die Festsetzung eines Limits kann Sie zwar vor dem Abschluss eines schlechten Übereinkommens bewahren; aber es kann Sie gleichzeitig auch von der Entwicklung und Annahme eines Abkommens abhalten, das Sie klugerweise annehmen sollten. Eine willkürlich festgelegte »Grenzlinie« ist kein Maßstab für das, was Sie akzeptieren können.
Gibt es eine Alternative zum Limit? Gibt es eine Maßgabe für Übereinkünfte, die Sie sowohl vor der Annahme eines Abkommens schützt, das Sie besser nicht akzeptieren sollten, als auch vor der Ablehnung einer Einigung, die Sie unterschreiben können? Es gibt sie.
Verschaffen Sie sich Klarheit über Ihre Beste Alternative
Wenn Ihre Familie über den Mindestpreis für Ihr Haus entscheidet, wäre die richtige Frage nicht, was Sie bekommen »müssen«, sondern was Sie tun, wenn Sie das Objekt nicht innerhalb einer bestimmten Zeit verkauft haben. Wollen Sie es unentwegt weiter anbieten? Wollen Sie es vermieten, abreißen, das Grundstück zu einem Parkplatz machen, irgendwen frei darin wohnen lassen, wenn er es dafür neu |145| streicht, oder sonst etwas? Welche dieser Wahlmöglichkeiten ist die beste, wenn man alles in Rechnung zieht? Und in welchem Verhältnis steht diese Möglichkeit zum höchsten bisher eingegangenen Angebot? Es könnte sein, dass eine der Alternativen attraktiver ist als der Verkauf für 400 000 Euro. Andererseits kann der Verkauf für 350 000 Euro besser sein, als das Haus auf Dauer im Besitz zu haben. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass es irgendein willkürliches
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