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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Fisher
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an, für wie viel das Haus von Müllers an der nächsten Ecke und das von Schmidt zwei Straßen weiter verkauft wurden.« Schwierig wird Nachgeben immer dann, wenn man den Vorschlägen anderer Leute folgen soll. Hat man aber die Kriterien selbst ins Spiel gebracht, so bedeutet Nachgeben nicht einen Akt der Schwäche, sondern ist Ausdruck von Korrektheit: Man steht zu seinem Wort.
    Argumentieren Sie vernünftig – und seien Sie solcher Argumentation gegenüber selbst offen
    Eine Verhandlung wird dann zur
gemeinsamen
Suche – wie viele objektive Kriterien Sie auch in der Hand haben –, wenn Sie mit aller Offenheit in die Verhandlung gehen. Bei vielen Verhandlungen benutzen die Menschen frühere oder irgendwelche anderen Kriterien schlichtweg als Argumente zur Zementierung der eigenen Position. Eine Polizeigewerkschaft besteht zum Beispiel auf einer bestimmten Gehaltserhöhung und rechtfertigt ihre Position mit den Forderungen der Kollegen aus anderen Regionen. Missbraucht man Kriterien auf diese Weise, halten meist auch die anderen noch mehr an ihren Positionen fest.
    |131| Noch einen Schritt weiter zurück: Manche Leute beginnen von vornherein mit der Ankündigung, dass das Ganze sowieso ein Streit um Prinzipien sei (und legen damit ihre Position fest), und weigern sich, die Gegenseite überhaupt wirklich anzuhören. »Das ist eine Frage des Prinzips« lautet der Schlachtruf bei »heiligen Kriegen« mit ideologischem Charakter. Praktische Unterschiede arten in prinzipielle Differenzen aus, binden die Verhandlungspartner eher als dass sie sie befreien.
    Genau das ist kein sachbezogenes Verhandeln. Wenn Sie darauf beharren, dass eine Übereinkunft auf objektiven Kriterien beruhen muss, so heißt das nicht, dass Sie nur auf den Kriterien bestehen sollen, die
Sie
vorgeschlagen haben. Die Existenz
eines
legitimen Kriteriums schließt nicht aus, dass es noch andere gibt. Und was die andere Seite für fair hält, muss noch lange nicht von Ihrer Seite aus fair erscheinen. Verhalten Sie sich wie ein Richter: Auch wenn Sie natürlich der einen Seite zugeneigt sind, sollten Sie bereitwillig auf Argumente eingehen, die eine Anwendung anderer Kriterien oder eine andere Anwendung der vorliegenden Kriterien befürworten. Wenn beide Seiten mit unterschiedlichen Standards zusammenkommen, suchen sie nach einer objektiven Grundlage für ihre Entscheidung – etwa danach, welche Kriterien die Parteien früher gemeinsam angewendet haben oder welches Kriterium allgemein verbreiteter ist. Ebenso wie die Hauptsache nicht auf der Grundlage bloßer Willenskämpfe entschieden werden soll, darf auch die Frage nach den verwendeten Kriterien nicht bloß von der Willkür der einen oder anderen Seite abhängen.
    Es mag vorkommen, dass in einem gegebenen Fall zwei Kriterien (wie der Marktwert und der Abschreibungswert) unterschiedliche Ergebnisse zeitigen, die aber beiden Parteien gleichermaßen legitim erscheinen. In diesem Falle ist es wiederum vollkommen gerechtfertigt, die Differenz zu teilen oder irgendeinen anderen Kompromiss dazwischen zu finden. Das Ergebnis ist immer noch unabhängig von der Willkür beider Parteien.
    Wenn Sie jedoch nach eingehender Diskussion der Sachlage bei |132| einem Streitfall noch immer nicht die von der Gegenseite vorgeschlagenen Kriterien als angemessen anerkennen können, so schlagen Sie einen Test darüber vor. Einigen Sie sich auf eine Person, die Sie beide als fair einschätzen, und geben Sie ihr eine Liste der vorgeschlagenen Kriterien. Lassen Sie diese Person entscheiden, welche sie für die fairsten oder angemessensten hinsichtlich der vorliegenden Situation hält. Da man objektiven Kriterien ja unterstellt, dass sie legitim sind, und da Legitimität die Anerkennung durch viele Menschen bedeutet, ist eine solche Nachfrage durchaus fair. Sie bitten dabei übrigens die dritte Person nicht um Beilegung Ihrer Auseinandersetzung – sondern lediglich um einen Rat, welches Kriterium zur Beilegung verwendet werden sollte.
    Der Unterschied zwischen der Suche nach Übereinstimmung hinsichtlich der verwendeten Prinzipien zur Sachentscheidung und der Benutzung von Prinzipien lediglich zur Stützung von Positionen ist manchmal subtil, aber immer bedeutungsvoll. Wer sachbezogen verhandelt, ist offen für eine inhaltliche, vernünftige Überzeugungsarbeit. Wer nur um Positionen feilscht, ist dies gerade nicht. Die Kombination aus Offenheit gegenüber Vernunftgründen und dem Beharren auf Lösungen auf der Grundlage

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