Das Harvard-Konzept
um Ermittlungen über verdächtige seismische Vorfälle anzustellen? Die Sowjetunion stimmte schließlich drei Inspektionen zu. Die Vereinigten Staaten beharrten auf mindestens zehn. Die Gespräche brachen ab, in der Auseinandersetzung um Positionen. Und das, obwohl noch keiner wusste, ob »Inspektion« bedeutete, dass eine Einzelperson sich einen Tag dort umsehen soll, oder ob hundert Leute einen ganzen Monat lang uneingeschränkt ihre Nase überall hineinstecken dürfen. Beide Parteien hatten kaum Versuche unternommen, einen Inspektionsablauf zu entwerfen, der das Interesse der Vereinigten Staaten, Nachprüfungen anzustellen, |28| abstimmte mit dem Wunsch beider Länder, die Einmischung so gering wie möglich zu halten.
Je mehr Aufmerksamkeit man den Positionen widmet, um so weniger dringt man zu den dahinter liegenden Problemen der Parteien vor. Übereinkunft wird immer unwahrscheinlicher. Jede erreichte Vereinbarung spiegelt dann eher eine mechanische Aufteilung unterschiedlicher End-Positionen wider als eine sorgfältig ausgetüftelte Lösung unter Berücksichtigung legitimer Interessen der Parteien. Das Ergebnis ist häufig eine Übereinkunft, die für beide Seiten weniger befriedigend ist, als es tatsächlich möglich wäre.
Feilschen um Positionen ist ineffizient
Mit der Standardmethode des Verhandelns mag man eine Übereinkunft erzielen (wie bei dem Preis für die Messingschüssel) oder einen Abbruch provozieren (wie bei der Zahl der gegenseitigen Inspektionen). In jedem Fall nimmt der Vorgang beträchtliche Zeit in Anspruch.
Das Feilschen um Positionen bringt Regungen hervor, die eine Klärung hinauszögern. Bei einem solchen Streit um Positionen trachten Sie danach, Chancen für Regelungen zu Ihren Gunsten dadurch zu verbessern, dass Sie mit einer extremen Position beginnen und eigensinnig daran festhalten, dass Sie die Gegenseite über Ihre wahre Position täuschen und kleine Zugeständnisse nur insoweit machen, als sie für den Fortgang der Verhandlungen notwendig sind. Die Gegenseite verfährt ebenso. All das behindert eine baldige Einigung. Je extremer die anfänglichen Positionen und je kleiner die Zugeständnisse, um so mehr Zeit und Mühe wird es kosten herauszufinden, ob eine Einigung überhaupt möglich ist.
Dieses Standardbeispiel erfordert auch eine große Zahl individueller Entscheidungen, da jeder Verhandlungspartner immer wieder neu bestimmen muss, was er anbietet, was er zurückweist, wie viele Zugeständnisse er machen muss. Entscheidungen zu fällen ist schwierig und in jeder Hinsicht zeitraubend. Nun bedeutet jede Entscheidung |29| nicht nur ein Zugeständnis der anderen Seite gegenüber, sondern bringt auch den Zwang zu künftigem Nachgeben mit sich; also hat der Verhandelnde wenig Anreiz zur Eile. Verschleppen, Drohen mit Abbruch, Mauern und andere derartige Taktiken werden daher ganz allgemein angewandt. Die Sache wird damit in die Länge gezogen; dabei aber wachsen die Kosten für eine Übereinkunft und das Risiko, dass man zu keiner Vereinbarung kommt.
Positionsgerangel birgt Gefahren für künftige Beziehungen
Das Feilschen um Positionen wird zum Willenskampf. Jeder Verhandelnde versichert, was er will und was er nicht will. Die Aufgabe, gemeinsam eine annehmbare Lösung zu suchen, wird leicht zum Gefecht. Jede Seite versucht, durch bloße Willenskraft die andere zur Änderung ihrer Positon zu veranlassen. »Ich gebe nicht nach. Wenn du mit mir ins Kino gehen willst, dann in den
Malteser Falken
– oder wir gehen gar nicht.« Ärger und Verstimmung kommen auf, weil sich die eine Seite ohne Berücksichtigung der eigenen legitimen Interessen dem unbeugsamen Willen der anderen unterworfen sieht. Das Feilschen um Positionen belastet so die Beziehung zwischen den Parteien und zerstört sie mitunter gar. Unternehmen, die jahrelang zusammengearbeitet haben, trennen sich, Nachbarn reden nicht mehr miteinander. Der bittere Nachgeschmack solcher Zusammenstöße kann ein Leben lang weiterwirken.
Sind mehr als zwei Parteien an Verhandlungen beteiligt, ist Feilschen um Positionen noch schlechter
Man kann Verhandlungsstile so untersuchen, als wären stets nur zwei Partner daran beteiligt. Sie und die »Gegenseite«. Das ist bequem; nur sind in Wirklichkeit eben meist mehr als nur zwei Personen |30| in die Verhandlungen verwickelt. Schon am Verhandlungstisch sind möglicherweise mehrere Parteien anwesend, außerdem kann jeder Partner auch Hintermänner, Vorgesetzte, Ausschüsse oder
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