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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept
Autoren: Roger Fisher
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Weise formulieren und übermitteln, die nach vernünftiger Erwartung für die Gegenseite überzeugend sein wird.
    Soll man verhandeln, wenn die Leute aus religiöser Überzeugung handeln?
    Ja. Auch wenn die religiösen Überzeugungen der Menschen wahrscheinlich nicht durch Verhandlungen geändert werden,
könnten
|221| ihre Handlungen, sogar solche, die auf ihren Überzeugungen beruhen, beeinflusst werden. Dies war bei der Entführung des Kuwait-Airways-Flugzeugs der Fall. Ein zentraler Punkt, der es wert ist, wiederholt zu werden, ist, dass Verhandeln keine Gefährdung Ihrer Grundsätze erfordert. Öfter wird ein Erfolg durch das Finden einer Lösung erzielt, die mit den Grundsätzen beider Seiten übereinstimmt.
    Viele Situationen scheinen nur »religiöse« Konflikte zu sein. Die Konflikte in Nordirland zwischen Protestanten und Katholiken und im Libanon zwischen Christen und Moslems sind keine Religionskonflikte. In beiden Fällen dient die Religion als praktische Grenzlinie zur Trennung einer Gruppe von der anderen. Diese Spaltung wird verstärkt, wenn sie dazu benutzt wird, die Menschen hinsichtlich ihres Wohnortes, ihrer Arbeitsstätte, ihrer Freundschaften und Stimmabgabe zu trennen. Verhandlungen zwischen solchen Gruppen sind höchst wünschenswert, da sie die Chance erhöhen, dass sie zu pragmatischen Übereinkommen führen können, die den beiderseitigen Interessen dienen.
    Wann ist es sinnvoll, nicht zu verhandeln?
    Ob Verhandlungen sinnvoll sind und wie viel Mühe Sie in sie investieren, hängt davon ab, für wie zufriedenstellend Sie Ihre Beste Alternative halten und wie wahrscheinlich es Ihrer Meinung nach ist, dass Verhandeln ein besseres Ergebnis bringen wird. Ist Ihre Beste Alternative gut und Verhandeln nicht vielversprechend, gibt es keinen Grund, viel Zeit in Verhandeln zu investieren. Andererseits, wenn Ihre Beste Alternative miserabel ist, sollten Sie bereit sein, etwas mehr Zeit zu investieren – sogar wenn das Verhandeln wenig aussichtsreich scheint –, um zu testen, ob etwas Befriedigenderes herauskommen könnte.
    Für diese Analyse müssen Sie über Ihre Beste Alternative und die Ihrer Gegenseite sorgfältig nachgedacht haben. Sie sollten nicht |222| den gleichen Fehler wie die Bank machen, die mit einem bankrotten Energieunternehmen verhandelte. Die Bank war von Rechts wegen berechtigt, das Eigentum über das gesamte Unternehmen zu übernehmen, aber der Richter in diesem Prozess meinte, die Parteien sollten sich einigen. Die Bank bot die Übernahme von 51 Prozent der Aktien und die Herabsetzung der Zinsen für den Kredit an, aber das Unternehmen (das im Eigentum des Managements war) mauerte. Frustriert verbrachte die Bank Monate mit dem Versuch, das Unternehmen dazu zu bringen, Interesse an Verhandlungen zu zeigen. Verständlicherweise weigerte sich das Unternehmen – es sah seine Beste Alternative darin, einfach auf eine Preissteigerung für Öl zu warten. Dann könnte es den Kredit zurückzahlen, und das Management besäße weiterhin 100 Prozent des Unternehmens. Die Bank hatte weder über ihre eigene Beste Alternative noch über die des Unternehmens nachgedacht. Die Bank hätte mit dem
Richter
verhandeln und ihm erklären müssen, wie unfair und anfechtbar die Situation war. Aber die Bank dachte, ihre einzige Möglichkeit wäre die Verhandlung mit dem Unternehmen.
    Regierungen machen oft den Fehler anzunehmen, dass sie eine bessere Beste Alternative haben als dies der Fall ist – wenn sie zum Beispiel durchblicken lassen, dass es immer eine »militärische Option« gibt, wenn »politische« und »ökonomische« Mittel in einer bestimmten Situation nicht zum Ziel führen. Es gibt
nicht
immer eine realisierbare militärische Option. (Bei den meisten Geiselnahmen gibt es keine militärische Option, die realistischerweise die sichere Befreiung der Geiseln versprechen kann. Kommandounternehmen wie die des israelischen Militärs auf dem Flughafen von Entebbe in Uganda – der von israelischen Ingenieuren entworfen und gebaut worden war – sind Ausnahmen und werden mit jedem Erfolg schwieriger, da die Terroristen sich an neue Taktiken anpassen.) Ob wir eine Möglichkeit zur Selbsthilfe haben oder nicht, hängt von der Situation ab: Kann das Ziel allein durch unsere eigenen Bemühungen erreicht werden oder muss jemand auf der Gegenseite eine Entscheidung treffen? Wenn das Letztere zutrifft, wessen Entscheidung |223| müssen wir dann beeinflussen, welche Entscheidung wollen wir, und wie,
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