Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept
Autoren: Roger Fisher
Vom Netzwerk:
erreichen. Und trotz der groben Illegalität der Besetzung der amerikanischen Botschaft haben beide Seiten von den Verhandlungen profitiert, die schließlich im Herbst 1980 stattfanden.
    Manchmal wird gesagt, Beamte sollen nicht mit politischen Terroristen reden, weil dies ihnen einen Status verleihen und ihre illegale Handlung belohnen würde. Es ist wahr, dass es einem hohen Regierungsbeamten scheinen mag, ein Zusammentreffen mit Terroristen könnte deren Bedeutung so weit erhöhen, dass der potenzielle Nutzen aufgewogen wird. Aber ein Kontakt auf einer professionellen Ebene ist völlig anders. Unterhändler der Polizei haben die Erfahrung gemacht, dass ein direkter persönlicher Dialog mit Kriminellen, die Geiseln gefangen halten, oft dazu führt, dass die Geiseln freigelassen und die Verbrecher gefasst werden.
    Während der Entführung des Flugzeuges der Kuwait Airways 1988 fanden umfangreiche Verhandlungen mit den Entführern |219| statt, aber über zunehmend kleinere Probleme. Die Regierung von Kuwait sagte zu Beginn des Ereignisses rundheraus, dass sie keine Schiiten freilassen würde, die wegen terroristischer Akte verurteilt waren und in Kuwait im Gefängnis saßen, und sie wich von dieser Grundregel nicht ab. Aber lokale Behörden in Zypern und Algerien verhandelten ununterbrochen über Dinge wie die Erlaubnis zum Landen des Flugzeugs, Forderungen nach weiterem Treibstoff, Zugang zu Nachrichtenmedien und die Lieferung von Nahrungsmitteln. Für jede Transaktion erreichten die Behörden die Freilassung immer weiterer Geiseln. Gleichzeitig appellierten sie – als Moslembrüder – an das islamische Ideal der Gnade und des Propheten Mohammeds Mahnungen gegen Geiselnahme. Am Ende kamen alle Geiseln frei. Die Entführer durften auch Algerien verlassen, aber ihr anhaltender und beschämender Misserfolg in der Erreichung eines ihrer angekündigten Ziele hat zweifellos zu einem nachfolgenden Rückgang der Entführungen durch Terroristen geführt.
    Soll man mit jemandem wie Hitler verhandeln?
    Dies hängt von der Alternative ab. Einige Ihrer Interessen mögen es wert sein, für sie zu kämpfen oder sogar zu sterben. Viele Menschen sind der Meinung, dass die Befreiung der Welt vom Faschismus, Widerstand gegen Aggression gegenüber anderen Ländern und Beendigung des Völkermords zu dieser Kategorie gehören. Wenn solche Interessen auf dem Spiel stehen und nicht durch weniger kostspielige Mittel gewahrt werden können, sollten Sie darauf vorbereitet sein zu kämpfen, wenn dies hilft und – werden manche sagen – manchmal sogar, wenn es nichts nützt.
    Andererseits ist Krieg ein schmutziges Geschäft, das zu oft romantisiert wird. Wenn Sie einen beträchtlichen Teil Ihrer Interessen durch gewaltlose Mittel erreichen
können,
sollten Sie diese Alternative ernsthaft überlegen. Wenige Kriege waren so einseitig wie die |220| Befreiung Kuwaits durch die Vereinten Nationen. Sogar dort hätte ein ausgehandelter Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait die Ölbrände in Kuwait, die Umweltschäden im Persischen Golf und das vom Krieg verursachte ungeheure menschliche Leid vielleicht verhindern können.
    Am wichtigsten ist, ein Krieg garantiert keine besseren Ergebnisse, als durch andere Mittel erreicht werden könnten. Als Premier der Sowjetunion war Josef Stalin in vieler Hinsicht für die Welt so anstößig wie Hitler. Er annektierte mehrere Länder, verübte Völkermord und förderte eine zentralstaatliche Ideologie, die in der Praxis dem Nationalsozialismus sehr ähnlich war. Aber im Zeitalter der Wasserstoffbombe war die Eroberung der Sowjetunion wie die Deutschlands durch die Alliierten, keine realisierbare Alternative. Auch schienen die Grundsätze, die auf dem Spiel standen, keine gegenseitige Vernichtung zu rechtfertigen. Stattdessen wartete der Westen geduldig und standfest in seiner moralischen Opposition zum Sowjetkommunismus bis er von selbst zu zerfallen begann.
    Sogar mit jemandem wie Hitler oder Stalin sollten wir verhandeln, wenn dies ein Ergebnis verspricht, das unter Berücksichtigung aller Einzelheiten unsere Interessen besser wahrt als unsere Beste Alternative. Ein Krieg ist in vielen Fällen tatsächlich ein Schritt zu einer Verhandlung. Die Gewalt soll die Beste Alternative der Gegenseite ändern, oder deren Wahrnehmung, sodass sie bereitwilliger unseren Bedingungen für den Frieden zustimmt. In solchen Fällen ist das Denken in Verhandlungsbegriffen wesentlich, sodass wir unser Angebot auf eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher