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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Fisher
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irrational scheinen. Wie gehen Sie mit solchem Verhalten um?
    Erkennen Sie erstens, dass, auch wenn Leute oft nicht rational verhandeln, es sich lohnt, wenn Sie selbst es versuchen. In einer psychiatrischen Klinik will niemand psychotische Ärzte haben. In ähnlicher Weise möchten Sie beim Umgang mit der Irrationalität der Verhandlungspartner so zweckgerichtet wie möglich sein.
    Stellen Sie zweitens Ihre Annahme, dass andere irrational handeln, infrage. Vielleicht sehen sie die Situation anders als Sie. In den meisten Konflikten glaubt jede Seite, zu den Forderungen der anderen Seite aus gutem Grund »nein« zu sagen. Vielleicht hält sie Ihre gut abgesicherte Ausgangsposition für sachlich ungerechtfertigt; vielleicht bewertet sie Dinge anders, oder vielleicht gibt es ein Kommunikationsdefizit.
    Manchmal haben Menschen Ansichten, die viele von uns als objektiv »irrational« ansehen, wie die Leute, die Angst vor dem Fliegen haben. Diese Menschen reagieren jedoch rational auf die Welt,
wie sie sie sehen.
Sie glauben, dass
dieses
Flugzeug abstürzen wird. Würden wir dies glauben, würden wir auch nicht fliegen. Es ist die Wahrnehmung, die verzerrt ist, nicht die Reaktion auf diese Wahrnehmung. Auch wenn man diesen Leuten erzählt, dass sie sich irren (und dies mit noch so vielen wissenschaftlichen Untersuchungen belegt), oder sie für ihren Glauben bestraft, wird dies kaum ihre Meinung ändern. Wenn Sie andererseits mit Einfühlung nachforschen und ihre Gefühle ernst nehmen und versuchen, ihre Gründe bis zu den Wurzeln zurückzuverfolgen, ist eine Änderung manchmal möglich. Wenn Sie mit ihnen arbeiten, mögen Sie bei ihnen einen logischen |217| Sprung entdecken, eine tatsächliche Fehlwahrnehmung oder eine traumatische Assoziation aus der Vergangenheit, die, einmal ans Licht gebracht, untersucht und von den Leuten selbst geändert werden kann. Im Wesentlichen suchen Sie nach den psychologischen Interessen hinter ihrer Position, um ihnen zu helfen, eine Möglichkeit zu finden, ihre Interessen in größerem Umfang effektiver zu verfolgen.
    Frage 5: »Soll man auch mit Terroristen oder jemandem wie Hitler verhandeln? Wann ist es sinnvoll, nicht zu verhandeln?«
    Gleich wie widerwärtig die andere Seite ist, die Frage, der Sie gegenüberstehen, ist nicht, ob Sie verhandeln sollen, sondern
wie
– es sei denn, Sie haben eine bessere Beste Alternative.
    Soll man mit Terroristen verhandeln?
    Ja. In der Tat, in dem Sinne, dass Sie ihre Entscheidungen zu beeinflussen suchen – und sie versuchen, Ihre zu beeinflussen –, verhandeln Sie mit ihnen, sogar wenn Sie nicht mit ihnen reden. Die Frage ist, ob man dies aus der Entfernung mittels Taten oder Worten tun soll (zum Beispiel »Wir werden nie mit Terroristen verhandeln!«) oder auf direktere Art und Weise. Im Allgemeinen ist Ihre Chance, Einfluss auszuüben, um so größer, je besser die Kommunikation ist. Wenn Probleme der persönlichen Sicherheit gelöst werden können, ist es sinnvoll, mit Terroristen in einen Dialog einzutreten, gleich ob sie Geiseln gefangen halten oder mit einer Gewalttat drohen. Wenn Sie überzeugende Argumente haben, werden Sie sie wahrscheinlich eher beeinflussen als umgekehrt. (Die gleichen Argumente gelten auch für den Umgang mit Verhandlungs»terroristen«, die schmutzige Tricks anzuwenden suchen.)
    |218| Verhandeln heißt nicht, nachzugeben. Lösegeld zahlen oder einer Erpressung nachgeben ist teuer. Die Belohnung von Entführungen ermuntert zu weiterem Kidnapping. Durch Kommunikation kann es möglich sein, Terroristen (und mögliche zukünftige Terroristen) davon zu überzeugen, dass sie kein Lösegeld erhalten werden. Es kann auch möglich sein, etwas über deren legitime Interessen zu erfahren und eine Vereinbarung zu treffen, bei der keine Seite nachgibt.
    Mithilfe algerischer Vermittler konnten die USA und Iran die Freilassung der amerikanischen Diplomaten im Januar 1981 aushandeln, die über ein Jahr lang in der US-Botshaft in Teheran festgehalten worden waren. Die Grundlage der Einigung war, dass
jede Seite nur das bekam, zu dem sie berechtigt war.
Die Geiseln würden freigelassen; Iran würde seine Schulden bezahlen; danach würden die Gelder, die die USA beschlagnahmt hatten, an Iran zurückgegeben; die Vereinigten Staaten würden die Regierung von Iran anerkennen und sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einmischen und so weiter. Es wäre schwierig, wenn nicht unmöglich gewesen, eine Einigung ohne Verhandeln zu

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