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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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du das nicht eher gesagt?«
    »Ihr habt nicht gefragt«, gab der Fürstensohn mit einem Achselzucken zurück. Das Hämmern in seinen Schläfen hatte sich verschlimmert. Er litt schrecklichen Durst. Und er fürchtete sich. Aber sein Zorn machte ihn stark und mutig. Sein Zorn war im Augenblick sein bester Freund.
    Der vierschrötige Soldat, der Liub hergebracht hatte, packte Tugomir an der Schulter und schmetterte ihm die geballte Linke ins Gesicht. »Ich kann nicht sagen, dass deine Spielchen mir gefallen!«
    Er hob die Hand wieder, aber Prinz Otto schritt ein. »Warte einen Moment, Udo.« Dann fragte er Tugomir: »Wieso beherrschst du unsere Sprache?«
    Der Fürstensohn wies auf den abscheulichen abgetrennten Kopf hinab. »Anno hat sie mich gelehrt. So wie viele andere Dinge.«
    »Und du hast es ihm gedankt, indem du ihm den Kopf abgehackt hast?«, entgegnete Heinrich bitter.
    Tugomir sah ihm in die Augen. »Die Götter hatten ihn ausgewählt. Anno war ein guter Mann und mein Freund. Ich habe ihn dennoch geopfert, weil es eben sein musste. Genau wie Ihr, König Heinrich, nicht wahr?«
    Der starrte ihn einen Moment an, lächelte dann frostig und tätschelte ihm unsanft die Wange. »Ich merke, es stimmt, was sie über dich sagen. Du bist ein Fuchs, mein Slawenprinzlein. Vermutlich viel zu gefährlich, um dich leben zu lassen.«
    Dragomira saß auf einem Schemel in ihrer Kammer und kämmte sich das hüftlange, dunkle Haar mit langsamen Strichen. Wie die übrigen Wohnräume der Fürstenfamilie war die Kammer ein Anbau an der Giebelwand der Halle, mit feinen Wandbehängen und Möbeln ausgestattet. Ein Kohlebecken vertrieb die schlimmste Kälte, und das breite Bett war großzügig mit Felldecken ausgestattet. Auf dem Tisch standen fein gemusterte Tongefäße mit Duftessenzen, Kräutern und Ölen.
    Dragomira hatte ihre Sklavinnen fortgeschickt, denn deren Schreckensmienen hatten ihr zu schaffen gemacht. Sie war lieber allein bei ihren Vorbereitungen.
    Sie war merkwürdig gefasst. Das kam ihr selbst verdächtig vor, aber ändern ließ es sich nicht. Natürlich war sie erschüttert über den Tod ihres Bruders, aber eher in pflichtschuldiger Weise. Der unsägliche Jammer ihres kleinen Neffen hatte sie mehr geschmerzt als Boliluts Tod an sich. Dennoch: Ihr Bruder war tot, genau wie die Mehrzahl der Krieger, der Hohepriester, und die Götter allein mochten wissen, wie viele Menschen in der Vorburg tot im Schnee lagen. Und auch wenn der Sachsenkönig Tugomir nach hitziger Debatte – von der sie nichts verstanden hatte bis auf die Schläge, die ihr Bruder einstecken musste – schließlich gestattet hatte, die Wunden ihres Vaters zu versorgen, glaubte Dragomira doch nicht, dass der Fürst den Sonnenaufgang noch erleben würde. Ihre Welt lag in Trümmern, und eigentlich hätte sie die Hände ringen und wehklagen müssen. Vor allem hätte sie sich fürchten müssen. Aber das tat sie nicht. Jedenfalls nicht mehr als sonst.
    Weil du schlecht bist , sagte die altvertraute innere Stimme, schlecht wie deine Mutter. Wenn nicht gar schlimmer . Es war nicht die Stimme ihres Vaters, denn sie klang dünn und geschlechtslos, aber dennoch kam es Dragomira immer so vor, als hätte ihr Vater ihr diese Stimme geschickt. Denn sie sagte, was er glaubte.
    Und womöglich hatte sie recht. Dragomira hatte sich vor dem sächsischen Soldaten gefürchtet, der sie begrapscht und geschlagen hatte. Sie hatte geglaubt, er werde ihr da und dort in der Halle die Kleider vom Leib reißen und es vor Tugomirs Augen tun, und das hatte sie in Panik versetzt. Doch als der blonde Prinz in die Halle gekommen war und sie angelächelt hatte, war alle Furcht von ihr abgeglitten.
    In den Tagträumen ihrer Kindheit war so mancher Prinz erschienen. Sie hatte sich vorgestellt, ein edler Fremder werde kommen und sie stehlen und mit ihr davonreiten. Daraufhin gingen ihrem Vater endlich die Augen auf, und er entdeckte seine Liebe für die entführte Tochter, eilte ihr nach und befreite sie. In letzter Zeit hatte die Rolle des ungestümen Prinzen sich allerdings gewandelt: Er brachte sie auf seine Burg, heiratete sie und tat all die Dinge mit ihr, von denen Boliluts Frau ihr erzählt hatte, der die Aufgabe zugefallen war, ihre junge Schwägerin auf ihre baldige Heirat vorzubereiten.
    Natürlich machte Dragomira sich nichts vor. Sie wusste, was der blonde Sachsenprinz wollte, und ganz gewiss wollte er keine slawische Gemahlin. Aber sie hatte keine Angst vor ihm. Sie hatte in

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