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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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fragend zu seinem Sohn. »Otto?«
    »Der zweite Sohn des Fürsten«, wusste der zu berichten. »Jünger, aber klüger als sein Bruder, heißt es. Sie haben ihn zum Priester ihrer Götzen gemacht. Vermutlich sollte er das Hirn werden, das dereinst die Faust des tumben Bruders lenkt.«
    »Hm«, machte der König mit einem abschätzigen Blick auf Boliluts Leichnam. »Ich würde sagen, das hat sich erledigt.« Durchdringend und mürrisch zugleich sah er Tugomir ins Gesicht.
    Udo kam in die Halle zurück und zerrte einen offenbar sehr unwilligen Begleiter mit sich, eine Gestalt in löchriger Lederkleidung, die weinend protestierte. »Ihr versprochen! Nicht verraten Heveller! Jetzt doch verraten! Aber ihr versprochen!« Seine Stimme überschlug sich.
    »Liub!«, rief Tugomir erschrocken, als er den Kaufmann aus der Vorburg erkannte. »Was hat das zu bedeuten?«
    Liub wand sich unter unwürdigem Schluchzen aus Udos Klauen und warf sich Tugomir zu Füßen. »Vergib mir … Vergib mir, Prinz. Wir hatten seit Tagen nichts mehr zu essen … Mein Sohn hat geweint und geweint, und gestern Morgen ist er einfach nicht mehr aufgewacht …«
    Tugomir wusste mit einem Mal genau, was dieser jämmerliche Wicht getan hatte, und so sehr graute ihm davor, dass er unwillkürlich einen kleinen Schritt zurücktrat. Sie hatten Anno geopfert – mit seinen eigenen Händen hatte Tugomir ihn getötet –, und das Opfer war wirkungslos geblieben, weil Liub sein Volk seinen Feinden ausgeliefert hatte. Bolilut war tot. Ihr Vater würde vermutlich verbluten, ehe die Sonne aufging. Und der blonde Sachsenprinz würde Dragomira schänden – er konnte den Blick ja jetzt schon nicht mehr von ihr wenden. All das wegen des Verrats dieser erbärmlichen Kreatur. Doch gegen Verräter waren vermutlich selbst die Götter machtlos …
    »Ich kann dir nicht vergeben, Liub«, antwortete Tugomir. »Du bist jenseits aller Vergebung. Geh heim, wenn sie dich lassen, und beende dein Leben selbst, bevor deine Nachbarn erfahren, was du getan hast. Hast du deinen Sohn schon verbrannt?«
    Liub schüttelte den Kopf.
    »Dann halte seine Hand, während du dich richtest. Wenn du Glück hast, kehrt sein Geist zurück, um dich in die andere Welt zu führen. Niemand sonst wird es tun wollen.«
    Mitleidlos blickte er auf den weinenden Kaufmann hinab und wünschte, er hätte die Hände frei, um Rache an ihm zu nehmen, als der ältere Sohn des Königs zurückkam. Er war sehr bleich, und er trug keine Schatulle voller Silber, sondern einen kugelförmigen Gegenstand, der in eine Decke eingeschlagen war. Behutsam legte er ihn vor seinem Vater in den Sand. »Seht nur, was diese Barbaren getan haben, Vater.« Er schlug die Decke zurück und enthüllte Annos Kopf – einen wahrlich schauderhaften Anblick. Die leeren, vernarbten Augenhöhlen waren seltsamerweise schlimmer als alles andere.
    Der König und seine Söhne taten etwas sehr Merkwürdiges: Sie hoben die Rechte, berührten damit ihre Stirn, die Mitte der Brust, führten die Hand dann erst zur einen, zum Schluss zur anderen Schulter und ließen sie wieder sinken. Tugomir war Priester und erkannte ein magisches Zeichen, wenn er es vor sich hatte, aber er rätselte, was es bedeuten mochte.
    »Anno …«, murmelte König Heinrich – offenbar ehrlich erschüttert.
    »Es ist ganz frisch«, sagte Otto. »Hätten wir doch nur einen Tag eher gestürmt.«
    Sein Vater schien ihn gar nicht gehört zu haben. Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. »Ich will wissen, wer das getan hat!« Er wirbelte zu Liub herum, der immer noch im Sand lag und heulte, packte ihn im Nacken und schüttelte ihn. »Wer hat das getan? Raus damit, du jämmerlicher slawischer Hund! Wer hat meinen Vetter geblendet und getötet?« Er schlug seinem jammernden Opfer mit der Faust auf den Kopf. »Sag es mir, du widerlicher Feigling!«
    Liub versuchte, schützend die Hände vors Gesicht zu legen. »Priester!«, stieß er hervor. »Götter haben ausgesucht Sachsen als Opfer.«
    König Heinrich ließ ihn los, richtete den Blick auf Tugomir, und er war furchteinflößend in seinem Zorn, stellte der junge Priester fest. »Ihr habt also meinen Vetter euren verfluchten Götzen geopfert.«
    »Wenn er Euch so teuer war, hättet Ihr ihn nicht unter Eure Feinde schicken sollen, König Heinrich«, antwortete Tugomir.
    Die drei blauäugigen Sachsen starrten ihn einen Moment an.
    »Du … du sprichst unsere Sprache?«, fragte Thankmar schließlich.
    Tugomir nickte.
    »Wieso hast

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