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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Also haben wir uns in aller Freundschaft voneinander verabschiedet. Die Erleichterung in seinem Gesicht hat schon ein bisschen wehgetan, aber ich bin ja inzwischen hart im Nehmen geworden.
    W as ja auch was Gutes hat. Oder, wie der Roshi sagt: »Wenn es wehtut, dann tut es weh. Wenn es nicht wehtut, dann hast du es bloß nicht gemerkt.«
    Jonathan stand in der kleinen Küche, eingezwängt zwischen Tisch und Gasherd, hantierte mit der Pfanne, pfiff ein Lied und wirkte erstaunlich zufrieden. Er trug eine Schürze. Ich habe wohl ein Geräusch der Erheiterung nicht unterdrücken können, denn er hörte auf, mit dem Plastikschaber in der Pfanne herumzustochern, und fragte, ohne sich umzudrehen: »Was amüsiert dich derart, junger Fant?«
    »Sehr schick, Jonty«, antwortete ich und stibitzte eine Kartoffelscheibe aus dem heißen Fett. Sie war schön kross und salzig.
    Er schob die Bratkartoffeln auf die hintere Flamme, gab Fett in eine zweite Pfanne, stellte sie auf das Gas und sah mich an. »Du machst dich über mich lustig, aber ich weiß gar nicht, was du willst«, beklagte er sich und zupfte geziert an der Schürze herum. Sie war rosa und gelb geblümt und hatte solche albernen Rüschen an der Vorderseite. Und sie war nicht groß genug, um Jonathans eher weitläufige Figur hinreichend vor Fettspritzern zu schützen.
    »Du grinsest, Adrian«, fuhr er fort und wedelte mit dem fettigen Schaber vor meiner Nase. »Ich verbitte mir dieses Gesicht. Oder willst du künftig für uns kochen?«
    »Wo hast du das Teil her?« Ich klaute mir noch ein Stück Bratkartoffel.
    »Finger weg, genäschiges Kind.« Er schob mit dem Ellbogen eine Salatschüssel beiseite. »Dieses kleidsame, wenn auch deutlich unterdimensionierte Stück hing hinter einer der Türen. Un s ere Wäsche trocknet noch vor sich hin.« Er wies auf das Fenster, durch das ich den kleinen, ummauerten Garten mit der Wäscheleine sehen konnte. Dort wehte die dunkelblaue Schürze, die Jonathan sonst bei seinen küchenmagischen Verrichtungen zu tragen pflegte, im kräftigen kornischen Wind. Dahinter trennte eine zerfallende Bruchsteinmauer unser Cottage vom Grundstück des Nachbarhauses – ein riesiges, altes Gemäuer, das wie ein Spukschloss in den Himmel aufragte. Unser Cottage hatte früher einmal zu diesem Herrenhaus gehört, es war die Kutscherwohnung oder so etwas in der Art gewesen.
    Ich starrte das Haus an. Seit wir hier wohnten, konnte ich kaum den Blick von dem alten Gemäuer lassen. Ich hatte sogar schon überlegt, über die Mauer zu klettern und mir Heathcote Manor aus der Nähe anzusehen. Wie mochte es sich anfühlen, in einem so großen, alten Haus zu wohnen? Es war in früheren Zeiten bestimmt ein hochherrschaftliches Anwesen gewesen und seine Besitzer hatten über das Dorf und dessen Bewohner geherrscht wie kleine Könige ...
    Jonathan holte mich aus meinen Gedanken wieder zurück in die Küchenrealität. »Wenn du schon hier bist – mach dich nützlich.« Er deutete auf das Schneidbrett, auf dem eine große Gemüsezwiebel wartete, und bückte sich, um im Kühlschrank nach dem Eierkarton zu fischen.
    Spiegeleier, Bratkartoffeln, Salat. Ich grinste hinter seinem Rücken. Jonathan war nicht gerade ein begnadeter Koch. Entweder gab es Spiegeleier oder Rühreier oder es gab Nudeln mit Sauce. Glücklicherweise war ein Imbiss in der Stadt, der von Fish ’n’ Chips über Pizza und gebratene asiatische Nudeln alles anbot, was einen Haushalt wie den unseren glücklich macht.
    » Du grinst schon wieder«, sagte Jonathan, ohne sich umgedreht zu haben. Man sage nicht, dass er mich nicht kennt, als wäre ich sein eigen Fleisch und Blut.
    Ich klopfte ihm auf die Schulter und murmelte etwas von »Dankbarkeit« und »unser Hausmann«. Er schnaufte empört.
    Ich war ganz froh, dass er sich nicht zu mir wandte, denn für einen Augenblick war mir das Lachen vergangen. Keiner von uns sprach jemals darüber, warum Jonathan gerade jetzt ein Sabbatical genommen hatte – angeblich um seine Forschungsarbeit über »Tintagel in der Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts« fortzuführen.
    »Fein hacken«, sagte er, immer noch mit dem Rücken zu mir. Wahrscheinlich hatte er bemerkt, dass ich mit den Tränen kämpfte. Ich griff hastig nach dem großen, verdammt scharfen Gemüsemesser, Heulen beim Zwiebelhacken ist schließlich erlaubt. Ich halbierte die Zwiebel, legte sie auf die Schnittfläche, wollte den ersten Querschnitt ansetzen (feine Würfel zu schneiden ist eine Kunst, die

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