Das Haus am stillen See: Mittsommerglück (German Edition)
war, als wäre sie aus tiefem Schlaf erwacht. Nur mühsam gelang es ihr, wieder in die Gegenwart zurückzufinden. Was war das gerade gewesen? Ein Traum?
Sie spürte Patricks forschenden Blick auf sich ruhen und rang sich ein gequältes Lächeln ab. “Es ist wirklich schön. Ich kann mir vorstellen, dass ich mich hier sehr wohlgefühlt habe.”
Patrick parkte den Wagen auf einem freien Platz neben dem Haus, machte aber keine Anstalten auszusteigen. Stattdessen legte er eine Hand auf Stinas Arm. Es war nur eine leichte, ganz harmlose Berührung, doch er löste damit ein wahres Chaos der Gefühle in ihr aus, vor dem sie intuitiv zurückschreckte. “Ist alles in Ordnung mit dir?”, fragte er sanft.
Sie atmete tief durch. “Ja, mir geht es gut”, sagte sie und schloss kurz die Augen, um ihren rasenden Puls zu beruhigen. “Wenigstens den Umständen entsprechend.”
“Komm, ich stelle dir Harald und Margrit vor. Die beiden haben sich schon wahnsinnig auf deine Rückkehr gefreut.”
“Wissen sie … ich meine, wissen sie Bescheid?”, fragte Stina unbehaglich. Es war ein seltsames Gefühl, Menschen vorgestellt zu werden, die sie eigentlich kennen sollte.
Patrick nickte. “Ich habe sie über alles auf dem Laufenden gehalten. Mach dir keine Sorgen. Niemand wird dich unter Druck setzen. Erhole dich einfach, alles andere kommt sicher ganz von allein.”
Er stieg aus und kam um den Wagen herum, um die Tür für sie zu öffnen. Was für eine galante Geste, dachte Stina überrascht. Sie war nicht daran gewöhnt, dass Männer ein solches Aufheben um sie betrieben. Sowohl im Job als auch im Privatleben hatte sie stets großen Wert auf Gleichbehandlung gelegt. Doch diese Zeiten waren inzwischen wohl vorbei.
Acht Jahre, um genau zu sein, dachte Stina bedrückt.
Ihre trüben Gedanken verflüchtigten sich, als sie zwei ältere Leute erblickte, die auf dem Treppenabsatz auf sie warteten. Das musste das Haushälterehepaar sein. Stina gab sich alle Mühe, sich zu erinnern, aber soweit sie sagen konnte, hatte sie die beiden nie zuvor gesehen.
Die weißhaarige Frau – Margrit? – trug eine hübsch bedruckte Kittelschürze und kam jetzt lächelnd auf Stina zugelaufen.
“Stina! Lieber Himmel, ich kann gar nicht sagen, wie sehr du uns gefehlt hast! Wie geht es dir? Du bist sicher froh, wieder zu Hause zu sein, nicht wahr? Ich …”
Der Mann – Harald? – trat neben seine Frau und warf ihr einen tadelnden Blick zu. “Margrit, hör auf, du machst sie ja ganz nervös.” Er streckte Stina die Hand entgegen. “
Hej
, Stina. Es ist schön, dass du wieder da bist.”
Die beiden hießen sie so herzlich willkommen, dass Stina sich sofort besser fühlte. Vielleicht sah die Zukunft ja doch nicht so grau und trostlos aus, wie sie es insgeheim befürchtet hatte.
Als sie zu Patrick hinüberblickte, bemerkte sie, dass er sich von der allgemeinen Hochstimmung nicht hatte anstecken lassen. Er wirkte nachdenklich, beinahe abwesend. Ob auch er sich Gedanken darüber machte, wie es zwischen ihnen weitergehen sollte? Sicher tat er das, denn auch für ihn hatten die letzten Wochen einschneidende Veränderungen mit sich gebracht. Ob er in ihr immer noch die Frau sah, die er einmal kennengelernt hatte?
Es fiel Stina schwer, sich vorzustellen, dass sie und Patrick wirklich einmal ein richtiges Ehepaar gewesen waren. Ein Gefühl von Traurigkeit stieg in ihr auf. Es war einfach unfair, dass sie sich an nichts mehr erinnern konnte. Soweit es sie betraf, hatte sich die Welt im Laufe der letzten acht Jahre nicht verändert, in Wahrheit aber war nichts mehr so wie früher, rein gar nichts. Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie zwinkerte sie fort. Nein, sie durfte jetzt nicht resignieren, es war auch schon schlimm genug, wenn sie nicht in Selbstmitleid versank.
“Komm rein, Stina, ich zeige dir das Schlafzimmer”, sagte Margrit und schnappte sich resolut eine der Reisetaschen, die Patrick aus dem Kofferraum geladen hatte. Stina warf ihm einen zaghaften Blick zu. Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, wo sie zukünftig ihre Nächte verbringen sollte. Erwartete Patrick, dass sie das Bett mit ihm teilte?
Er schien ihre Sorge zu spüren, denn er lächelte traurig. “Margrit hat eines der Gästezimmer für mich hergerichtet. Unser Schlafzimmer überlasse ich selbstverständlich dir.”
Stina war erleichtert, zugleich plagte sie aber auch das schlechte Gewissen. Patrick hatte sich ihre Rückkehr ganz sicher anders vorgestellt. Aber
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