Das Haus auf der Brücke
kann.«
»Oder wenn der Bauer mit dem Jauchefaß zehnmal am Tag durchfährt«, warf ich ein.
»Das ist ja noch viel besser!« rief der mit der Brille.
»Dann schreiben wir: >Haus der offenen Tür auf einer romantisch gelegenen Brücke< und machen den Bericht noch größer. Wann kommen denn die Kühe?«
»Anfang Mai.«
»Das sind noch mehr als zwei Wochen. Nein, kann sie uns der Bauer nicht so durchtreiben, für uns, wir zahlen es. Wo steckt die Planierraupe jetzt? Im Haus?« — »Nein, die ist hinten an der Baustelle.«
Auf jeden Fall, es wurden zwei aufregende Tage. Die beiden liefen ums Haus, stiegen aufs Dach und knipsten in unserem Wohnzimmer alles, was durchkam. Ein wenig bedauerten sie, daß kein TEE-Zug durchbrauste, das wäre ein Bild für sie gewesen. Sie stiegen den Steinbruch hinauf und kletterten auf den alten Ahorn. Sie knipsten das Morgenrot und das Abendrot und schrieben, Mutter sei eine bekannte Übersetzerin englischer Kriminalromane.
Sie deckten unseren Tisch wie wir ihn nie gedeckt hätten und bauten Scheinwerfer auf. Und am liebsten hätten sie den Kachelofen weggerissen und woanders hingestellt, aber sie ließen ihn dann doch am Platz und stellten lieber die Kamera anders auf. Dann machten sie wieder ein Tierparadies aus unserer Wiese, setzten Katze und Kaninchen und Dackel nebeneinander ins Gras, und der sich am meisten fürchtete, schien der Dackel zu sein.
Sie waren ganz lustig. Der Mann mit der Brille sprach, und der Fotograf lächelte manchmal und knipste. Was der eine zu viel redete, brachte der andere mit seiner Schweigsamkeit wieder ein. Vor allem, wenn ich ihn nach Blende und Belichtungszeit fragte.
Obwohl Mutti seufzte, schien ihr der Betrieb zu gefallen. Wir wußten ja noch nicht, was der Bildbericht alles anrichten würde.
Ja, wir freuten uns noch, als wir einige Wochen später unser Haus in dem Wohn-Magazin farbig abgebildet sehen konnten. Und wir wunderten uns nur ein wenig, wieso am nächsten Sonntag plötzlich Dutzende Autos auftauchten, deren Lenker alle gern zehn Mark zahlen wollten, wenn sie einmal hin und zurück durch unser Wohnzimmer fahren dürften.
Dann fragten sie uns, wann die Kühe durchkämen, und manche hatten schon ihre Filmkameras bereit, um dieses Schauspiel zu filmen.
Andere wieder wollten wissen, wann die nächste Führung sei, oder ob sie bei uns Bier oder Limo kaufen könnten, oder sie verlangten gar die Speisekarte.
Dann aber war endlich die andere Brücke fertig, und sie stürzte nicht einmal ein, als der Bürgermeister und ein paar Gemeinderäte sich auf sie hinaufwagten. Auf unseren Zufahrtsweg kam ein allgemeines Einfahrverbotsschild, und wir hatten Ruhe. Eine seltsame Ruhe. Fast beängstigend. Als wären wir alle vergessen.
Mit Mutter ging eine eigenartige Veränderung vor sich. Sie wurde nervös und reizbar, als es so still war. Manchmal fragte sie: »Stehen nicht die Kühe draußen?« oder »Hat nicht eben der Bierwagen gehupt?« Einmal am Abend setzte sie sich hin und weinte.
»Was ist denn los?« fragten wir sie wie aus einem Mund.
»Nichts«, sagte Mutter, »was soll denn los sein? Gar nichts ist los.«
Es stimmte.
»Ja, aber du hast doch eben geweint.«
»Soll ich vielleicht nicht?«
»Ja, aber warum denn?«
»Es war so nett bis vor kurzem. Gut, es gab ein bißchen Schmutz und Aufregung«, gab sie zu, »aber es war wenigstens Leben im Haus. Ich vertrage diese Ruhe nicht.«
»Jetzt soll sich einer auskennen«, rief Vater. »Ich dachte, du wärst so unglücklich über den Wirbel gewesen.«
»Anfangs«, sagte Mutter, »das gebe ich zu. Aber jetzt würde sich nicht mal mehr ein Wohnwagen hierher verirren.«
»Außer, er macht sich nichts aus dem Einfahrverbotsschild«, sagte Vater, und er schien nachzudenken. Mutter weinte wieder. Sie sagte, sie sei jetzt die reinste grüne Witwe. Ausgeschlossen vom Leben. In der Verbannung.
»Aber du kannst doch jetzt viel ruhiger übersetzen.«
»Ja, aber was nützt mir das, wenn ich nicht manchmal zur Seite rücken muß, damit ein Wagen durch kann?« Bero hatte der Diskussion aufmerksam zugehört, jetzt sagte er: »Ein Auto soll wieder kommen.«
Vater beugte sich zu ihm hinunter. »Jetzt kommt kein Auto mehr. Die Straße ist gesperrt, verstehst du? Einfahrt verboten, das Schild vorne, du kennst es ja. Du mußt zur anderen Brücke, da fahren jetzt die Autos.«
Am nächsten Tag ging Bero zur anderen Brücke, und er begann dort seinen alten Sport. Er warf Steine in den Bach, freute sich,
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