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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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einem europäischen Ferienort Urlaub zu machen, und wir sollen hierbleiben, bis er zurückkommt.«
    »Woher weißt du das alles?«
    »Erstens habe ich gute Ohren, und zweitens – Intuition. Und die sagt mir, dass wir hier nicht lange schmoren werden. Wenn Larissa wirklich gequatscht hat, dann haben sie uns eingesperrt, weil Pjotr uns verhören will. Wir erklären ihm, wie’s war, das wird er verstehen, er ist ja nicht blöd.«
    »Und das Kleid?«, fragte Sweta leise und setzte sich auf die Liege.
    »Wieso das Kleid? Wir wissen doch jetzt, dass es gar nicht darum geht.«
    »Vorerst nicht.« Sweta seufzte. »Aber wenn Pjotr es sieht?«
    »Warum sollte er? Du willst dich ja wohl nicht in unser himmelblaues Chanelstück hüllen und Pjotr verführen, oder? Ich finde ihn nicht gerade süß.« Sie zog die Nase komisch kraus. »Er ist einer von denen, die ihren angeborenen Bocksgestank mit teurem Parfüm überdecken, dreimal am Tag die Unterwäschewechseln und trotzdem stinken, besonders im Bett, wenn sie schwitzen wie die Schweine.«
    »Du hast wohl Erfahrung?«, fragte Sweta spöttisch.
    »Ich hab dieselbe Erfahrung wie du, und die ist groß und ekelhaft. Garantiert genug fürs ganze Leben.«
    Sweta ließ sich neben ihre Schwester fallen und lachte. Ihr Lachen klang ohrenbetäubend und unheimlich und hallte von den nackten Betonwänden wider.
    »Weißt du, es geht mir nicht aus dem Sinn, dass Ruslan unsere Mama eine Nutte genannt hat«, sagte Ira plötzlich, stützte sich auf dem Ellbogen auf und beugte sich über ihre Schwester. »Unsere Mama war keine Nutte«, knurrte sie.
    »Ist doch egal, was sie war, wir haben sie so oder so noch nie gesehen«, murmelte Sweta und fragte nach einer langen Pause: »Was meinst du, was werden sie mit Larissa machen?«
    »Die kriegt ihr Fett weg, und nicht zu knapp. Wenn sie uns glauben, und nicht ihr.«
    »Und wenn nicht?«
    »Sie werden uns glauben. Schon, weil sie von uns mehr haben. Wir bieten bessere Perspektiven. Larissa ist ja debil, weißt du das nicht?«
    »Wer, Larissa?« Sweta hob die Brauen.
    »Na klar, sie hat eine offizielle Diagnose. Das hat sie mir selber vor kurzem erzählt.«
    »Also, die Diagnose haben wir beide auch. Erinnerst du dich an die Psychiaterin im Heim?«
    »Und ob!« Ira lachte. »Dieses Miststück vergesse ich mein Lebtag nicht. Weißt du noch, das faule Ei in ihrem Stiefel?« Ira zwinkerte, und ihr Gesicht wurde weich bei der schönen Erinnerung an die sieben Jahre zurückliegenden Ereignisse.
    »Klar«, erwiderte Sweta, »hinterher gabs ein Riesentamtam, wir mussten nur im Schlüpfer und barfuß die ganze Nacht in Reih und Glied in der Turnhalle stehen, und zwar alle, die dieses Aas für debil erklärt hatte. Gut, dass keiner was gestanden hat. Es ist nie rausgekommen, wer das war.«
    Ira seufzte und sagte mit sanfter Stimme: »Ich hatte dieses Ei in einer Glühbirnenschachtel und hab immer überlegt, was ich damit machen könnte. Ach, das war ein Spaß, als ich während des Unterrichts in die Lehrergarderobe gegangen bin. Ich musste mal auf die Toilette, und unterwegs hab ich die offene Tür gesehen. Sie hatte sich die Stiefel gerade gekauft, ich hab in der Pause gehört, wie sie damit vor den Lehrern angegeben hat. Sie standen im Schrank, nagelneu, hellbraun, unten Leder, der Schaft aus Wildleder, mit echtem Fell gefüttert. Und auf dieses Fell hab ich mein faules Ei gelegt.«
    »Das ist ein Witz, oder?« Sweta sprang von der Liege.
    »Ich habs getan«, sagte Ira. »Sie sollte büßen für die gemeine Diagnose, die sie uns verpasst hat, sonst hätte ich die Achtung vor mir selber verloren. Wir sind nicht debil. Und wir lassen nicht zu, dass einer uns das ganze Leben versaut, niemals.«
    »Warum hast du mir das damals nicht erzählt?« Sweta erblasste vor Empörung.
    »Gerade weil ich es dir schrecklich gern erzählt hätte, verstehst du?«
    »Blödsinn.« Sweta winkte ab. »Sag ehrlich: Du hattest Angst, dass sie mich kleinkriegen. Das ist schließlich ihr Job. Aber gegen Mama Isa und Ruslan waren die Kinderheimtanten noch harmlos, und im Grunde bin ich ihnen sogar dankbar. Für die Abhärtung.«
    »O nein, meine Liebe!« Ira schüttelte den Kopf. »Bedanken musst du dich nur bei dir selber. Wir beide sind Waisen, nicht die. Die Tanten haben uns misshandelt, die haben an uns ihren ganzen Frust ausgelassen, ihre Einsamkeit oder den Suff ihrer Männer, ihre Wut auf den Staat wegen des lächerlichen Gehalts und der miserablen Wohnung, ihre Wechseljahre,

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