Das Haus der bösen Mädchen: Roman
Auto«, erwiderte Warja erstaunt. »Ist etwas passiert?«
»Wo genau bist du jetzt?«
»Auf dem Prospekt Mira«, log sie für alle Fälle. Tatsächlich befand sie sich am Ende der Twerskaja, in dem stillen Hof des Hauses der Solodkins. Sie wollte wissen, ob die merkwürdig verschreckt wirkende Schwiegertochter der Solodkina das Haus verlassen und wie ihre Begegnung mit dem weißblonden Banditen verlaufen würde, der solche Ähnlichkeit mit dem Phantombild hatte.
Im Gegensatz zu Unterleutnant Teletschkin hatte Warja die Ähnlichkeit sofort entdeckt. Sie hatte nämlich ein besonderes Faible für Porträtmalerei. Absolut sicher war sie sich jedoch nicht. Sie glaubte plötzlich, diesen Mann schon einmal gesehen zu haben, aber die vage Erinnerung wurde nicht klarer – sie sah ein Haus außerhalb von Moskau vor sich, eine üppige, lächelnde Dame mit Grübchen auf den Wangen und sportliche Jugendliche, und merkwürdigerweise war auch Pnyrja dabei.
Das dumme Déjà-vu-Gefühl störte ihre Konzentration. Das Durchschnittsgesicht auf dem Phantombild vermischte sich mit einem vagen Bild in ihrer Erinnerung. Sie war beinahe sicher, dass der blonde Flegel, der sich geweigert hatte, ihr Auto anzuschieben, nicht nur mit dem Phantombild identisch war und dass sie ihn deshalb so schnell erkannt hatte.
Nach einer Runde um den Häuserblock kehrte sie auf den Hof zurück und wählte einen idealen Beobachtungspunkt zwischen den Wellblechgaragen, so dass sie durch eine Lücke den Hauseingang im Blick hatte.
Der Weißblonde saß auf der Lehne einer kaputten Bank. Sie musste nur noch Xenia anrufen, sich überzeugen, dass sie noch nicht weg war, und ihr anbieten, sie auf die Datscha zu fahren. Warja wollte zu gern mal einen Blick auf Solodkin werfen.
Nach dem Telefonat mit Borodin war sie nicht wie versprochen weggefahren, sondern geblieben, um zu sehen, was weiter geschah.
Auf dem Hof war alles still. Warja lehnte sich im Sitz zurück und schlief unversehens ein. Doch plötzlich vernahm sie ganz in der Nähe hysterisches Hundegebell. Eine alte Frau in einem bunten Seidenrock, mit einem koketten Spitzenhütchen auf dem Kopf und zwei zitternden Zwergpinschern in hellblauen Strickjäckchen an der Leine trat an Warjas Auto heran, starrte sie aus ausgeblichenen, dick geschminkten Augen an und sagte hochmütig: »Guten Tag!«
Warja lächelte und nickte. Die Alte entfernte sich majestätisch. Die Hunde waren verstummt und trippelten ihr hinterher. Nach einer Weile aber hörte Warja die Alte empört kreischen und die Hunde verzweifelt jaulen. Eine Verrückte, entschied Warja, die gibts auf jedem Hof. Im selben Moment sah sie den Rücken des Weißblonden vorüberhuschen.
Genau in diesem Augenblick rief Pnyrja an.
»Was machst du auf dem Prospekt Mira?«, fragte er mit krank klingender Stimme.
»Eine Dozentin von mir hat Geburtstag, ich muss ein Geschenk kaufen.« Warja verstummte, weil sie Xenia mit dem Kinderwagen aus dem Haus kommen sah. Der Weißblonde war aus ihrem Blickfeld verschwunden, aber sie wusste, dass er ganz in der Nähe war.
»Du musst herkommen, sofort«, bellte Pnyrja in den Hörer. »Es ist dringend.«
»Was denn, zu dir nach Hause?«, fragte Warja erstaunt, stieg vorsichtig aus dem Auto und schaute hinter der Garage hervor, um zu sehen, in welche Richtung Xenia ging.
»Ja. So schnell wie möglich. Es geht mir sehr schlecht, Mädchen. Ich habe großen Kummer. Ich erzähle es dir, wenn du hier bist.« Er legte auf, Warja steckte das Telefon weg und sah Xenia und die Alte mit den beiden zitternden Zwergpinschern miteinander reden.
Warja wartete nicht länger, sondern stieg ins Auto und fuhr zu Pnyrja nach Sokolniki.
An der Wand stand eine sehr breite Liege mit einem karierten Plaid. Ira ließ sich darauf fallen, legte die Hände hinter den Kopf und starrte an die Decke. Sweta inspizierte den Keller, hob eine kleine Schaufel mit Holzgriff, eine Maurerkelle, vom Boden auf, wischte sie mit einem Lappen ab und schob sie wortlos unter die Matratze.
»Gute Idee.« Ira schloss die Augen. »Kuck doch mal nach, vielleicht können wir noch mehr gebrauchen. Hier liegt ja alles Mögliche rum. Zum Beispiel die Bretter da mit den Nägeln drin.«
»Wozu sollen wir das denn gebrauchen können?«, fragte Sweta spöttisch. »Die haben MPis!«
»Wenn sie uns umbringen wollten, hätten sie das längst getan. Das ist nicht ihr Auftrag. Ist dir klar, wem das Haus hier gehört?«
»Nein.«
»Hier wohnt Pjotr. Er geruht gerade in
Weitere Kostenlose Bücher