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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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flüsterte sie, »große Angst.«
    »Was denn, vor der Geburt?«
    »Quatsch.« Sie winkte ab. »Vor der Geburt hab ich überhaupt keine Angst.«
    »Wovor dann?«
    »Wie gesagt, unser gemeinsamer Freund wird alt und sentimental. Er geht neuerdings in die Kirche. Das ist natürlich seine Privatsache, aber das Rudel spürt, dass der Anführer schwach wird, und lauert auf eine Gelegenheit, ihn zu zerfleischen.«
    »Gibt es einen realen Nachfolger?«
    »Mindestens fünf.« Warja lachte schief. »Einer besser als der andere.«
    »Na, dann stehts ja nicht so schlimm. Es gibt immerhindie Chance, dass sie sich gegenseitig die Kehle durchbeißen. Und außerdem betrifft dich das doch gar nicht.«
    »Hören Sie auf. Sie müssen mich nicht trösten. Sie wissen genau, dass mich das betrifft, und wie! Wenn der Alte abserviert wird, ist es aus mit meinem Malzew. Und mit mir auch. Der Alte passt auf, dass uns keiner ein Haar krümmt, an mir hat er sogar einen Narren gefressen. Aber die Neuen, die kennen keine Skrupel, die werden sich die Sammlung einfach schnappen.«
    »Sie wissen von der Sammlung?«, fragte Borodin leise. »Alle fünf?«
    Warja warf ihre Kette ein Stück hoch, fing sie wieder auf, betrachtete die Steine eine Weile mit zusammengekniffenen Augen und flüsterte schließlich: »Wirklich gefährlich ist nur einer von ihnen, die anderen sind grüne Jungs. Aber einer, der weiß Bescheid. Und natürlich vertraut der Alte ausgerechnet ihm wie sich selbst.«
    »Tja, so ist das meistens«, sagte Borodin nachdenklich und fragte nach einer kurzen Pause beiläufig: »Sagt dir der Firmenname ›Galateja‹ was?«
    Warja wurde blass, die Hand mit der Tasse zuckte, heißer Tee schwappte darauf, Warja stellte die Tasse vorsichtig ab und führte die Hand zum Mund.
    »Ja. Die kenne ich. An- und Verkauf von Antiquitäten. Mehr weiß ich nicht. So, und nun Schluss für heute. Um die Kinderheime kümmere ich mich.« Sie richtete sich auf, winkte dem Kellner und bat um die Rechnung. Borodin wollte ihr zweihundert Rubel zustecken, doch sie wehrte ab.
    Das Gewitter war vorbei. Der Himmel war wieder klar, von den Bäumen fielen Tropfen, der nasse Asphalt glänzte in der Sonne tiefschwarz.
    »Kann ich Sie mitnehmen?«, fragte Warja.
    »Danke, ich gehe lieber zu Fuß. Die Luft ist herrlich. Du solltest übrigens auch viel spazieren gehen.«
    »Hmhm, mach ich.«
    Die Autotür klappte, und der schneeweiße VW fuhr los und entfernte sich schnell.

Sechzehntes Kapitel
    Kolja Teletschkin überquerte den weiten Platz, als die ersten Regentropfen fielen. Er wollte zur Metro, um mit den Obdachlosen zu reden, die sich vor der Markthalle rumtrieben. Angenommen, Rjurik hatte die Wahrheit gesagt, dann wussten seine Freunde vielleicht, wo er in der Nacht gewesen war.
    Wozu braucht ein Toter noch ein Alibi, fragte sich Teletschkin sarkastisch. Gib Ruhe, misch dich nicht in Dinge, die dich nichts angehen, denk an deine Frau, an das Kind und an deine Mutter und deine Großmutter.
    Der Himmel über ihm erbebte unter einem Donnerschlag. Ein heftiger Regenguss strömte herab, Teletschkin schaffte es gerade so bis zur Metro. In der Eingangshalle drängten sich die Leute, und Teletschkin zwängte sich langsam zu den Obdachlosen durch.
    Es waren zwei. Ein alter Mann in einem zerschlissenen Unterhemd und fadenscheinigen speckigen langen Pluderhosen schlief friedlich auf einer Zeitung. Neben ihm saß eine noch nicht alte, aber sehr verlebte, fast glatzköpfige Frau mit rotem Trinkergesicht. Ihre farblosen Augen mit den geschwollenen Lidern starrten vor sich hin, und sie wiegte sich kaum merklich vor und zurück.
    Teletschkin war in Uniform. Die Frau kroch in sich zusammen, hob schützend die Arme über den Kopf und jammerte leise: »Tu uns nichts, Natschalnik, bitte tu uns nichts, nein?«
    »Keiner will euch was tun«, beruhigte Teletschkin sie. »Kennt ihr Rjurik und Simka?«
    »Wieso?«, meldete sich der Alte. Er hatte gar nicht geschlafen,blieb aber liegen, richtete sich nur ein wenig auf dem Ellbogen auf.
    »Wann habt ihr sie das letzte Mal gesehen?«
    »Was ist denn passiert?«
    Sie wissen es noch nicht, dachte Teletschkin. Umso besser.
    »Vorletzte Nacht hat einer die Räder von meinem Wagen abgeschraubt. Ein Mann will Rjurik in der Nähe gesehen haben.«
    »Das war er nicht!«, sagte der Alte überzeugt, setzte sich auf und rieb sich die entzündeten Augen.
    »Sonntagabend, so gegen zwölf, kam eine Lieferung Fleisch und Fisch für den Markt. Das haben wir

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