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Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Das Haus der bösen Mädchen: Roman

Titel: Das Haus der bösen Mädchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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gemeinsamer Freund damit zu tun hat.«
    »Das ist nicht so einfach zu erklären. Erkundige dich nach den Kinderheimen, dann erzähle ich es dir vielleicht.«
    Die Avocado und der Salat wurden gebracht.
    »Sie müssen sie auslöffeln«, riet Warja, als sie sah, wie Borodin ungeschickt versuchte, die Avocado zu zerschneiden. »Haben Sie etwa noch nie eine Avocado gegessen?«
    »Nein«, bekannte Borodin.
    Er schürfte mit dem silbernen Löffel etwas Avocadofleisch heraus, schob es sich zusammen mit einigen rosa Krabben in den Mund und schloss die Augen.
    »Na, schmeckts?«, fragte Warja, die ihn gespannt beobachtete.
    Borodin nickte. »Sehr.«
    »Sie Glücklicher.« Sie seufzte traurig. »Mir schmeckt nichts mehr. Als Kind mochte ich Schlagsahne für mein Leben gern. Ich hab sie nur ein- oder zweimal probiert, und das war herrlich. Heute könnte ich jeden Tag Berge davon essen, aber es macht mir keine Freude mehr. Genauso wenig wie Avocado mit Krabben. Aber es ist gesund, also esse ich es.«
    »Du Ärmste.« Borodin schüttelte den Kopf. »Du bist wirklich arm dran. Weißt du, als ich noch studierte, da hielt einmal ein berühmter Auslandsjournalist bei uns einen Vortrag. Damals erschien uns das Ausland wie ein Märchen, und jemand, der sich oft dort aufhielt, erregte zugleich glühenden Neid und heilige Ehrfurcht. Er stand also in der Aula vor dem Mikro und erzählte einigen Hunderten Studenten, dass im Westen in Wirklichkeit alles schlecht sei, einfach schrecklich, das Leben dort sei sehr schwer, und wir sollten in unseren jungen Köpfen keine dummen Illusionen hegen. Die Menschen in den Ländern des entwickelten Kapitalismus seien in Wahrheit sehr unglücklich. Irgendwer rief aus demSaal: ›Unglücklich – wieso denn?‹ – ›Ganz einfach!‹ Der Redner breitete die Arme aus. ›Versteht ihr das nicht? Sie erleben nie die Freude über die ersten Radieschen, die erste grüne Gurke, die ersten frischen Erdbeeren.‹ – ›Aber da gibt es doch in jedem Laden das ganze Jahr über frisches Obst und Gemüse!‹, – ›Na eben‹, erwiderte der Journalist, ›und darum erleben sie nie die Freude über die ersten Radieschen!‹«
    »Witzig«, sagte Warja ohne die Spur eines Lächelns, »und im Grunde vollkommen richtig. Sie sind also einem Serienmörder auf der Spur, Ilja?«
    Die Frage kam ohne jeden Übergang, im selben nachdenklichen Ton.
    »Wie kommst du auf Serienmörder?« Borodin hob die Brauen.
    »Ein normaler Mensch würde wohl kaum achtzehn Mal mit dem Messer zustechen. Aber die Kinderheime, die unser gemeinsamer Freund betreut – ich bezweifle, dass es dort geistig Behinderte gibt. Der Alte tut nichts uneigennützig, schon gar nicht, wenns Geld kostet. Er denkt immer an seinen Nutzen.«
    »Debile werden ausgezeichnete Vollstrecker, Wachleute und Gorillas, und die Mädchen Prostituierte. Das meinst du doch mit Nutzen, oder?«
    »Ja, schon. Obwohl, er wird im Alter sentimental. Das wird ihn eines Tages zugrunde richten.« Sie verstummte, nestelte an ihrer Kette und fügte ganz leise hinzu: »Nein – schon sehr bald.«
    »Was ist passiert, Warja?«, fragte Borodin ebenso leise und versuchte, ihr in die Augen zu sehen. Aber sie wandte sich ab. Er hatte sogar den Eindruck, sie würde gleich anfangen zu weinen.
    »Mein Gott, was wollen Sie von mir?«, murmelte sie. »Was soll ich mit Ihrem Mitgefühl?«
    »Schon gut.« Borodin zuckte die Achseln. »Du musst es mir nicht erzählen, wenn du nicht willst.«
    »Sie können mir doch sowieso nicht helfen!« Sie schrie fast und zuckte heftig zusammen, als sie bemerkte, dass der Kellner hinter ihr stand. »Bitte zwei Tee, aber keine Beutel«, sagte sie zu ihm.
    Der Kellner nickte. »Selbstverständlich. Was für Tee möchten Sie?«
    Borodin bat um schwarzen, Warja entschied sich für Kamillentee.
    »Du rauchst nicht mehr und trinkst keinen Kaffee«, bemerkte Borodin sanft, als der Kellner gegangen war.
    »Nein. Ich denke jetzt an meine Gesundheit.«
    »Prima, das war längst Zeit. Nur an deine eigene Gesundheit oder…?«
    »Ja, ja!« Sie verzog gereizt das Gesicht. »Sie habens erraten, Sie sind ja schließlich Kriminalist.«
    »Gratuliere. Was wird es, und wann ist es so weit?«
    »Im Januar. Ob Junge oder Mädchen, weiß ich nicht.«
    »Aber du weißt, dass man sich in der Schwangerschaft nicht aufregen darf? Schau dich mal an, du bist hochgradig nervös und böse. Du musst von innen her leuchten, du hast dir doch immer ein Kind gewünscht.«
    »Ich habe Angst«,

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