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Das Haus der Bronskis

Das Haus der Bronskis

Titel: Das Haus der Bronskis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Marsden
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Taschen kamen wir uns wie Flüchtlinge vor.
    Wir saßen ganz hinten inmitten des Flüchtlingsgepäcks. Zofia lehnte sich dagegen und sagte: »Was meinst du, Phiilip, komme ich jemals wieder hierher?«
    »Nein.«
    Sie schaute aus dem Fenster, sah die Gebäude von Nowogródek zurückbleiben und Feldern und Wald Platz machen. Die Sonne stand tief. »Nein, ich glaube, du hast recht.«
    Dann reckte sie ihr Kinn vor und lächelte ihr unbekümmertes Beinahelächeln. »Aber wenn ich uralt bin, komme ich vielleicht mit dem Auto hierher und wohne in einer kleinen Hütte in Mantuski und sterbe dort ganz allein!«
    Als der Abend dämmerte, erreichten wir die Grenze.Eine endlose Schlange stehender Busse zog sich die Straße entlang gleich der Wirbelsäule eines versteinerten Reptils.
    Es hatte an der Grenze einen Zwischenfall gegeben, einen alltäglichen kleinen Zwischenfall. Nach sieben Stunden Warten, sieben Stunden Vorrücken im Schneckentempo, Ausfüllen von Formularen und Passieren von Kontrollpunkten hatten wir die weißrussische Seite hinter uns. Mittlerweile war es weit nach Mitternacht. Am anderen Ende des Niemandslands stieg ein polnischer Grenzer zu. Er unterschied sich stark von seinem weißrussischen Gegenstück. Mit den hohen Ulanenstiefeln, der gesunden Bräune und den blauen Heldenaugen war er so forsch und fesch wie das wiedererstehende Polen. Er schritt den Gang ab, zählte die schlafenden Kinderköpfe, verlangte die Papiere des Fahrers, tippte mit einem Bleistift dagegen und sagte, nein, Sie müssen nach Weißrußland zurück, in die Stadt, aus der Sie gekommen sind.
    Zofia erzählte mir später, sie habe rot gesehen; sie fühlte ihr Blut kochen   – es war der Blick, den er »dem armen weißrussischen Fahrer« zuwarf. Sie humpelte den Gang entlang, und noch bevor sie den Grenzer erreichte, schrie sie ihn an: »Wie können Sie es wagen! Sehen Sie nicht, daß das bloß Kinder sind? Wirklich, ich muß mich Ihretwegen schämen. Ihretwegen schäme ich mich, Polin zu sein!«
    Ich sagte ihr, sie solle still sein. Pragmatismus hatte mich an Grenzen zwei Dinge gelehrt: »nein« heißt nicht immer »nein«, und: nie die Beherrschung verlieren, nie über Prinzipielles streiten.
    Doch galt das immer und überall? Wozu war Pragmatismus nütze gewesen an jener anderen Grenze, fünfundfünfzig Jahre zuvor, als ihr die russischen Kugeln um den Kopf pfiffen, die Welt verrückt geworden war und Polen ihr zu Füßen starb?
    Der polnische Grenzer verließ den Bus. Die Papiere nahm er mit. Schließlich und endlich ließ er uns doch durch. Vielleicht hatten wir beide recht.
     
    Jenseits der Grenze wartete eine andere Autoschlange. Sie wurde von unseren Scheinwerfern kurz angeleuchtet. Wir passierten das Ende der Schlange und fuhren weiter in die Nacht hinein. Jedermann im Bus machte es sich zum Schlafen bequem. Der Fahrer zündete sich eine Zigarette an; bald war das einzige Geräusch das Brummen des Motors. Die Birkenreihen glitten in der Dunkelheit am Fenster vorüber.
    Auf der Rückbank, gegen Flüchtlingstaschen gelehnt, die Beine auf den kaputten Sitzen ausgestreckt, lag Zofia. Ihre Augen waren geschlossen, und sie atmete gleichmäßig; um sich warm zu halten, hatte sie ihre Arme fest um sich geschlungen. Über ihr stand ein Fenster offen, eine nächtliche Brise wehte herein, ließ den Vorhang flattern und zupfte an dem grauen Haarbüschel, das ihr ins Gesicht hing.

Nachwort
    I n London
trennten sich unsere Wege wieder. Zofia mußte sich um ihre zahlenden Gäste kümmern, ich mußte ein Buch beenden. Immer wenn ich sie in jenem Sommer anrief oder wir einander schrieben, schien sie krank zu sein, geplagt von einer Folge kleinerer Unpäßlichkeiten. Als ich im November nach Cornwall zurückkam, sah sie müde aus und sagte, sie gehe zu einer Untersuchung ins Krankenhaus. Man operierte sie und stellte fest, daß der ganze Unterleib verkrebst war.
    Sie lebte länger als die zwei Monate, die die Ärzte ihr noch gaben. Sie erholte sich gut von der Operation und wurde im Frühjahr zusätzlich therapiert. Außerdem trug sie stets ein imaginäres schwarzes Messer bei sich, wie sie mir erzählte, und in den stillen Stunden nach Sonnenaufgang lenkte sie es nach unten gegen den Krebs und schnitt ihn Zelle für Zelle heraus. Eines Morgens rief sie mich lachend an. Es war ein Lachen, von dem ich wußte, daß es ihre Angst überdecken sollte. Sie erzählte, sie habe einen entsetzlichen Alptraum gehabt   – die Rote Armee war nach

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