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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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gute Stunde lang über Kristallschädel, denn er besaß einen und war bestens informiert über all die Legenden, die über diese unheimlichen Artefakte im Umlauf waren. Wir debattierten lebhaft darüber, ob solche Phänomene, wie man sie den Kristallschädeln zuschrieb, nun als authentisch zu bewerten waren oder ob es sich um Legenden, ja um Schwindel handelte. Dabei vertrat ich die Meinung, dass Legenden nicht aus der leeren Luft entstanden, während Alec (typisch Jurist) weder Ja noch Nein sagen wollte, sondern befand, dass das Pro und Kontra jedes Falles im Einzelnen genauestens geprüft werden müsste. Was lag näher, als dass er mich nach diesem Treffen einlud, ihn zu besuchen und den Kristallschädel vor Ort zu besichtigen?
    Von Freunden erfuhr ich nach der Party, dass der ehemalige Rechtsanwalt ein rundum angenehmer Mensch war, intelligent, aufgeschlossen, gutmütig und liebenswürdig. Er hatte – was immer ein gutes Zeichen bei einem Mann war – eine sehr glückliche Ehe geführt und seine Frau, wie man so sagt, auf Händen getragen. Obendrein besaß er ein beträchtliches Vermögen. Und da war der stählerne Ring...
    Der Mann war jedenfalls zu gut, als dass ich ihn hätte sausen lassen. Ich ging zum Friseur und zur Kosmetikerin, kaufte mir ein neues Kleid – schlicht, aber sehr raffiniert geschnitten – und machte mich daran, Alec Marhold zu erobern.
    Wir waren füreinander geschaffen, aber natürlich hatten wir beide eine Menge Komplexe zu überwinden, bis wir einander wirklich nahe kamen. Ich war ziemlich schüchtern wegen meiner nicht mehr ganz lupenreinen Figur und meines Gesichts, das an schlechten Tagen aussah wie nasse Wäsche, gar nicht zu reden von all den Komplexen, die ich bereits von Jugend an mit mir herumschleppte. Alec hatte die üblichen Sorgen eines alternden Mannes. Außerdem fürchtete er sich vor der Missbilligung seiner Kinder, einem Pack eingebildeter Yuppies, denen eine ungestylte kleine Frau mit langer schwarz-grauer Haarmähne und einer Vorliebe für Lederjacken zu wenig ladylike war. Es brauchte einige Drinks und ein halbes Gramm Kokain, damit wir beide unsere Ängste überwanden. Aber dann fanden wir einander sehr zufriedenstellend.
    Alec hatte noch nie eine Frau gesehen, die von oben bis unten tätowiert war. Ich hatte es beiläufig erwähnt, aber da ich meine Tinten nicht in aller Öffentlichkeit Spazieren zu tragen pflegte, nahm er an, ich hätte von einem quadratzentimetergroßen roten Teufelchen auf dem Hinterteil oder einem Miniatur-Einhorn auf der Schulter gesprochen. Dass ich mit „bin tätowiert“ ungefähr eineinhalb Quadratmeter bunte Haut an Beinen, Oberarmen und Brust gemeint hatte, erkannte er erst, als ich meine Kleider fallen ließ und an Stelle von unschuldigem Fleischrosa ein ornamentales Gewirr von Schwarz, Vitriolblau, Magenta, Fuchsia, Orange und Meergrün zutage trat.
    Alec gaffte. Dann stellte er mir die üblichen dummen Fragen („Tut das nicht weh?“, „Was machst du, wenn es dir eines Tages nicht mehr gefällt?“) Aber ich glaube, in dem Augenblick, als er alle die Orchideen und Fische und farbigen Ornamente auf meiner Haut erblickte, wurde auch ihm endgültig klar, dass ich keine gewöhnliche Frau war. Wir beschlossen, beieinander zu bleiben.
    Allerdings bleiben Leute in unserem Alter am besten auf Distanz beieinander. Alec war sehr glücklich verheiratet gewesen und liebte seine fünf Adoptivkinder innig, aber nach fünfunddreißig Jahren Familienleben fand er, dass es Zeit für ein bisschen Egoismus war und er sich nicht wieder für eine Partnerin aufopfern wollte. Ich wiederum hatte die Arbeit an meinen Büchern, die ich nicht einfach liegenlassen konnte. Erstens hatte ich Verträge zu erfüllen, zweitens brauchte ich das Geld, drittens war eine Schriftstellerin, die vor lauter Gefühlsduselei nichts mehr schrieb, ziemlich schnell weg vom Fenster. In dem Geschäft musste man am Ball bleiben.
    Und außerdem: Ich hätte nicht aufhören können zu schreiben, auch wenn ich keinen Groschen mehr verdient hätte und mein Name nicht einmal mehr im
Waldbacher Sonntagsboten
erwähnt worden wäre. Ich war von meinem Beruf besessen. So viel Alec mir auch bedeutete – hätte ich zwischen ihm und der Schriftstellerei wählen müssen, so hätte ich, wenn auch mit feuchten Augen, die Schriftstellerei gewählt.
    Zum Glück musste ich nicht wählen. Wir einigten uns auf einen
modus vivendi,
der uns beiden genug Freiraum ließ. Jeder von uns kannte sich selbst

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