Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
Clint Eastwood in „Flucht aus Alcatraz“ – freilich einen etwas älteren und sehr rothaarigen Eastwood.
Der Besitzer dieser zweideutigen Gesichtszüge trug eine Brille mit einem sechseckigen, orangen Hornrahmen, an der er ständig irritiert herumrückte, als sitze sie nicht richtig. Auch die Brille ließ keinen rechten Schluss auf das eigentliche Wesen des Mannes zu, denn sie war offensichtlich ein teures, wahrscheinlich sogar ein
sehr
teures Modell, aber einer der Brillenbügel war mit Leukoplast geflickt, und das schon seit einer ganzen Weile, nach dem fettigen und abgegriffenen Aussehen des Flickens zu schließen. Als der Mann nach dem Brillengestell griff, fiel mir auf, dass sein nackter Unterarm von unregelmäßigen weißen Narben gesprenkelt war, jede so groß wie ein Groschenstück, als sei etwas in glühenden Tropfen darauf gefallen.
Das wirklich Erstaunliche an dem Rothaarigen war jedoch die Energie, die er ausstrahlte, eine Energie, die in grellem Kontrast zu seiner heruntergekommenen Erscheinung stand. Wenn ich jemals jemanden gesehen hatte, dem ich psychokinetische Kräfte zutraute, dann war er es. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er es fertiggebracht hätte, Gegenstände durch die Luft fliegen zu lassen und Feuer zu entfachen. Von ihm ging eine pulsierende Kraft aus, die mich förmlich zwang, einen Schritt zurückzutreten, als strahlte er eine unerträgliche Hitze ab. Mir fiel auf, dass Alec ihn stirnrunzelnd anblickte – also fühlte er vielleicht ebenfalls diese beunruhigende Ausstrahlung.
„Suchen Sie jemand?“, fragte der Mann, während er die Harke in einer Ecke lehnte und die Katze, die voll freudiger Erwartung auf ihn zugelaufen war, auf den Arm nahm. Sein Tonfall war bedrohlich, als sei er drauf und dran, uns mit Gewalt hinauszuwerfen. Dann erkannte er den Agenten und grüßte ihn – nicht gerade sehr herzlich, wie mir schien. Uns warf er einen Blick zu, aus dem brennende Neugier sprach, fast, als hätte er einen sehr persönlichen Grund, sich für uns zu interessieren, aber er sprach uns nicht an.
Die beiden wechselten ein paar Worte, wobei der Makler ihn mit „Junkarts“ anredete – ohne den sonst üblichen Zusatz „Herr“. Ich hatte den Eindruck, dass der Abgesandte des Hauseigentümers bereits das Terrain für eine Kündigung vorbereitete, denn er beschwerte sich wortreich über das Chaos im Zimmer und drohte mit Strafmaßnahmen. Der Mann namens Junkarts hörte geduldig zu, ohne den Makler zu unterbrechen, aber sein absenter Blick verriet, dass ihn die Vorhaltungen nur sehr mäßig interessierten. Schließlich gab er ein halbherziges Versprechen ab, in Zukunft mehr Ordnung zu halten, und verschwand mitsamt der Katze in seinem Zimmer, dessen Türe er nachdrücklich hinter sich schloss.
Wieder fiel mir auf, wie Alec ihm nachblickte. Er hatte die Augenbrauen gehoben und die Augen zusammengezogen, ein Gesichtsausdruck, der mir verriet, dass er irgendetwas höchst Interessantes witterte. Er sah aus wie ein Jagdhund, der soeben den Fuchs entdeckt hat.
Der Agent zupfte mich am Ärmel. „Wenn Sie bitte weiterkommen wollen ...“
Ich gehorchte, schon weil mich in diesem Augenblick auch noch etwas Anderes am Ärmel zog – eine kleine, raue Hand, die ich nicht sehen konnte.
Wir stiegen die Treppe hinauf, weiterhin begleitet von einem kühlen, frischen Schwall von Blumenduft, obwohl ich nirgendwo Blumen entdecken konnte. Noch nie hatte ich ein Haus betreten, das so ungemein lebendig wirkte. Ich konnte es kaum glauben, als der Makler erwähnte, dass tagsüber nur der chaotische Rotschopf zuhause war. Das Haus fühlte sich an, als wimmelte es von Bewohnern! Seit meinem Eintritt war ich überzeugt, überall die Geräusche zu hören, die auf die Anwesenheit vieler Menschen hinweisen, und ich
fühlte
die Gegenwart zahlreicher Mitbewohner. Aber der Mann hatte recht, das Gebäude war, uns vier und die Katze ausgenommen, vollkommen verlassen!
Eine Unbequemlichkeit des Hauses bestand darin, dass die Fenster sich alle beide in den Vorderzimmern befanden, so dass es auf den oberen Fluren sehr dämmrig war, wenn man nicht das trübselig flimmernde Treppenlicht einschaltete. Überhaupt war der ursprüngliche Architekt mit Fenstern äußerst sparsam umgegangen, denn die Ostwand des Bauwerks war, bis auf das runde Speicherfenster, vollkommen fensterlos, und in der Nord- und Südwand befanden sich nur die schmalen, einteiligen Fenster der Hinterzimmer. Aber das konnten wir ja, wenn wir das
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