Das Haus der Feuerfrau (German Edition)
gut genug, um zu wissen, dass für uns nur die Zärtlichkeit der Stachelschweine in Frage kam – nahe genug, um einander zu wärmen, aber nicht so nahe, dass wir die Stacheln des anderen spürten. Denn Stacheln, und zwar ziemlich lange und spitze, hatten wir beide. Wir erkannten einer im anderen den Dominanten und hielten uns gar nicht erst mit zermürbenden gegenseitigen Unterwerfungskriegen auf, sondern schlossen eine Allianz. Wir waren Lord und Lady, Master und Mistress, und weder würde ich jemals seine Dienerin sein, noch er mein Diener.
Ich behielt meine Wohnung, war aber bereit, Alecs Domizil zumindest etappenweise zu teilen, sobald er sein Traumhaus gefunden hatte – vorausgesetzt, ich hatte nicht gerade eine hochgradig kreative Phase oder einen dringenden Auftrag.
Dann sah ich das Totenhaus, und um ein Haar wären alle meine vernünftigen Entschlüsse ins Wanken gekommen.
Das Haus faszinierte mich, sobald ich den ersten Blick darauf geworfen hatte. Es zog mich an, mit einer Intensität, dass ich am liebsten an Ort und Stelle meine Möbel hineingestellt hätte. Mein erster Gedanke beim Anblick seiner schlichten Außenfassade war: „Oh, Gott sei Dank! Es steht also noch!“ Das war natürlich völliger Unsinn; ich konnte mich nicht erinnern, dass ich es je zuvor auch nur gesehen hatte, und ganz gewiss war ich nie in irgendeiner Verbindung damit gestanden!
Es war auch nicht das, was man gemeinhin unter einem Traumhaus versteht. Kein strahlend weißes Juwel, keine architektonische Kostbarkeit. Es war ein
no-nonsense-
Haus, nüchtern, bieder und zurückhaltend. Das Einzige, was ein wenig Leben in seine Viereckigkeit brachte, waren die beiden vertikalen Reihen von Erkerfenstern
,
die links und rechts an jedem Stockwerk vorsprangen und auf den ersten Blick den Anschein erweckten, die Vorderfront würde von Türmen flankiert. Die Mauer war mit zwei Reliefpfeilern im Jugendstil verziert, die auf der grauweiß verputzten Fassade so blass und filigran wirkten wie gepresste Rosen auf den Seiten eines Poesie-Albums. Darüber blickte das runde Fischauge eines Medaillon-Giebelfensters herab. Nichts an dem Gebäude war außergewöhnlich, und ich konnte mir meine innere Bewegung nicht erklären.
Damals wusste ich natürlich noch nicht, dass man es in der gesamten Larabaya-Straße hinter der vorgehaltenen Hand das „Totenhaus“ nannte. Ich kannte es nur unter der trivialen Bezeichnung Nummer 12 A. Alec, der systematisch alle vielversprechenden Häusermakler abklapperte, hatte es Ende Februar in den Angebotsmappen einer Kanzlei entdeckt, und zum Besichtigungstermin am 8. März schleppte er mich mit. Es war ein unangenehm warmer Tag, dessen verfrühter Sommersonnenschein etwas Schleimiges an sich hatte. Ich hatte eigentlich nicht die geringste Lust, in den dritten Sprengel hinauszufahren und mir anzusehen, was Alec da an Land ziehen wollte, aber er brauchte mich unbedingt, um ihm beim Feilschen zu helfen.
„Es wurde erstaunlich billig angeboten“, erzählte er mir am Telefon, „aber ich glaube, wir können die Miete noch weiter drücken, wenn du daran herummäkelst.“
„Häuser, die erstaunlich billig angeboten werden, sind Spukhäuser“, informierte ich ihn aus meinem Erfahrungsschatz. „Hast du gefragt, ob es lange leer gestanden ist? Ob es mehrfach kurzfristig vermietet war? Ob der Preis in den letzten Jahren ständig gesenkt wurde?“
Alec lachte nur. „Es wäre nicht uninteressant, in einem Spukhaus zu wohnen, Charmion. Aber ich glaube nicht, dass es eines ist. Auf den Fotos jedenfalls sieht es vollkommen harmlos aus. Also? Kann ich dich zum Mittagessen abholen?“
Ich dachte sehnsüchtig daran, dass es mir bei diesem tödlichen Biowetter lieber gewesen wäre, mich mit leichter Lektüre ins Bett zurückzuziehen. Aber Alec hörte sich so begeistert an. Anscheinend hatte er sein persönliches Traumhaus gefunden, und diese Erfahrung wollte ich mit ihm teilen, auch wenn ich dazu eine Kreislauftablette schlucken und eine Flasche eiskaltes Mineralwasser trinken musste.
Flüchtige graublaue Wolkenbänder huschten über den gleißenden Himmel, als wir mit dem Makler zur Larabaya-Straße Nr. 12 A hinausfuhren. Ich kannte den dritten Sprengel nicht sonderlich gut, wusste aber, dass es im Allgemeinen eine angenehme und ruhige Wohngegend war. Die Larabaya-Straße, die mäßig steil einen Hügel hinauf- und wieder hinunterführte, war typisch für diesen Bezirk. Die riesigen Grundstücke waren teilweise
Weitere Kostenlose Bücher