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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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professioneller Routine, während ich meinen Morgenkaffee trank und darauf wartete, dass mein frisch gewaschenes Haar trocknete. Andererseits wusste ich seit langem, dass ich tatsächlich hellsichtig war, besonders was Häuser und deren Ausstrahlung anging, und hatte gelernt, mich dieser Gabe zu fügen. Ich zweifelte auch nicht im Geringsten an der Realität übersinnlicher Phänomene. Um es mit Emmanuel Kant zu sagen:
Ich behielt mir vor, jedes einzelne derselben in Zweifel zu ziehen, allen zusammengenommen aber wollte ich Glauben beimessen.
Auf jeden Fall nahm ich die Sache ernst und war nicht bereit, mich leichtfertig in die Zwielicht-Zone zu begeben.
    Ich erinnerte mich mit Grauen an den Journalisten, der mich unbedingt hatte bewegen wollen, mit ihm eine Besichtigungstour durch ein Spukhaus zu machen. Und obendrein um Mitternacht! Er hatte sich das sehr witzig vorgestellt, wie ich, die Schöpferin von Geistern und Gespenstern, deren „echten“ Kollegen begegnete. Ich hatte ihm nicht begreiflich machen können, dass es ein gefährliches Spiel war, diese andere Welt leichtfertig zu provozieren, und dass ich keine Lust hatte, über Nacht schlohweißes Haar zu bekommen oder vor Schreck dem Wahnsinn zu verfallen.
Herzlich willkommen
    Als wir aus dem grellen Vorfrühlings-Sonnenschein in das Zwielicht des Hausflurs eintraten, dachte ich einen Augenblick lang, ich hätte die Person gesehen, die die Hintertüre geöffnet hatte. Jedenfalls stand dort hinten im Halbdunkel jemand. Eine Frau schien es zu sein, die weiße Kleider und darüber einen dunklen Umhang trug und auf dem Kopf ein weißes Käppchen. Eine Welle von Unbehagen strömte von ihr auf mich zu, und ich hoffte sehr, dass sie nicht zum Haus gehörte. Dann erst sah ich, dass ich mich getäuscht hatte. Es war nur ein Spiel der Schatten gewesen. Der Flur war bis auf die dicke schwarze Katze leer.
    Besser gesagt, es war nichts darin zu
sehen.
Dass er leer war, das Gefühl hatte ich ganz und gar nicht! Es war, als atmeten die Wände. Die Villa umgab mich jetzt mit einer Zudringlichkeit, die ich deutlich wahrnahm. Ich fühlte mich angestarrt. Irgendetwas schien mich, wie ein unsichtbares Tier, in ständiger Bewegung zu umkreisen, als wollte es meine Witterung aufnehmen. Einmal bildete ich mir sogar ein, dass ich es sah – eine Form wie den leuchtenden Umriss einer menschlichen Gestalt, die in majestätischer Schwerelosigkeit die Treppe herabglitt. Aber die Sonnenstrahlen fielen schräg und gebrochen in den Raum, und es konnte leicht sein, dass das flirrende Licht und der schwebende Staub mich getäuscht hatten.
    Ich holte tief Atem – dabei fiel mir auf, dass es im Flur erstaunlich stark nach frischen Blumen roch, als sei die Diele angefüllt mit Grün und Blüten – und konzentrierte mich auf die sichtbare und tastbare Realität.
    Das erste, was mir auffiel, war die mit sturer Konsequenz durchgehaltene Doppelseitigkeit in der Architektur des Gebäudes. Allem hier entsprach sein spiegelbildliches Gegenstück. Wir standen in einer Diele, von der eine schokoladenbraun lackierte, mit grünem Filz belegte Treppe in den ersten Stock und darüber hinaus bis zum Dach hinaufführte. Diese hölzerne Treppe bildete gewissermaßen die Wirbelsäule des Hauses. Neben und unter der Treppe zogen sich schmale Flure über die ganze Länge des Bauwerks. Von ihnen gingen links und rechts je ein rechteckiger, durch das Erkerfenster kurios ausgebuchteter Wohnraum und dahinter ein quadratischer Raum, der im Erdgeschoss als Küche genutzt wurde, ab. Zwischen diesen beiden Zimmerpaaren, unter der Treppe, befand sich in jedem Stockwerk ein Waschraum mit einer Toilette.
    Diese Ordnung, notierte ich bei der weiteren Besichtigung, wurde in allen drei Etagen, Erdgeschoss, erster Stock, zweiter Stock, eisern durchgehalten. Allerdings war die schlichte und durchaus reizvolle Architektur nur im Erdgeschoss klar zu erkennen. In den beiden oberen Stockwerken verschwand sie beinahe vollkommen unter der Möblierung, denn das Haus war in einer so krankhaften Weise mit Möbeln vollgestopft, wie manche alte Leute ihre Wohnungen mit Papieren vollstopften. Die Möbel im Erdgeschoss waren sparsamer platziert, aber dafür waren sie alle tiefschwarz und in einem so schwülstig überladenen Stil mit Holzschnitzerei, Glas und Marmor verziert, dass sie kleinen Schlössern mit Türmchen und Erkerchen ähnelten. Die meisten waren geräumig genug, dass man jede Menge Leichen darin hätte verstecken

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