Das Haus der Seelen: Roman (German Edition)
sie hinter sich her. JC ließ ihr einen angemessenen Vorsprung, sodass er leise mit Happy sprechen konnte.
»Also«, sagte er. »Du und Melody, ihr seid jetzt zusammen? Wie läuft es denn?«
»Ich weiß nicht, ob wir zusammen sind oder nicht. Oder vielleicht Freunde mit kleinen Vorzügen. Oder Schiffe, die in der Nacht einfach aufeinandergekracht sind. Ich nehme gewöhnlich alle möglichen kleinen Pillen, um einerseits sicherzugehen, dass die einzige Stimme in meinem Kopf meine eigene ist, und andererseits die Dinge etwas positiver zu sehen. Aber derzeit brauche ich scheinbar nur CAT und Multivitamine, um mit ihr Schritt zu halten. Lieber Gott, hat die Frau einen Appetit.«
»Hast du immer noch Angst vor ihr?«, fragte JC.
»Aber so was von«, erwiderte Happy.
Melody hatte beinahe das gelbe Absperrband erreicht, als JC ihr ein scharfes »Stopp!« zurief. Sie gehorchte sofort und sah sich rasch um, während JC und Happy schnell aufholten. Die drei standen jetzt zusammen vor den weit offen stehenden Toren der Fabrikhalle, die dennoch ihre Geheimnisse dahinter für sich behielt. In die Finsternis dahinter zu sehen war, als blicke man in einen bodenlosen Abgrund, in dem die Dunkelheit für immer und ewig fortdauerte. JC wandte der Finsternis plötzlich den Rücken zu und ließ seinen Blick über den weiten Parkplatz schweifen.
»Bemerkt ihr etwas, oh meine Kinder?«, fragte er. »Hört mal. Lauscht der Stille. Kein Vogel singt oder fliegt gar hier in der Nähe. Keine Insekten summen, nicht einmal am Abend dieses schweineheißen Sommertags. Die Luft ist schwer, als liege ein Gewitter in der Luft, das nie losbrechen wird. Das ist … eine unnatürliche Stille, weil die Natur sich von diesem Ort zurückgezogen hat. Von diesem bösen Ort. Und was wissen wir über böse Orte, meine geschätzten Kollegen?«
»Böse Orte gebären Geister«, antwortete Melody. »Spuk ist sowohl ein Ausdruck von Orten als auch von Menschen.«
» Genius loci «, warf Happy ein. »Der Geist des Ortes, denn einige Orte sind lebendiger als so manche Menschen. Hab ich bestanden? Sag mir bitte, dass nicht, dann kann ich nach Hause gehen.«
»Goldsternchen für jeden!«, verkündete JC. »Und Honig für den Tee. Es ist still hier, weil alles Natürliche Angst vor der Fabrikhalle hat.«
»Wenn alles so vernünftig ist, sich von der Halle fernzuhalten, dann sollten wir das vielleicht auch tun«, sagte Happy. »Nein? Ich bin sicher, ich hatte mal Überlebensinstinkte, bevor ich in dieses Team kam. Könnten wir nicht einen netten, zufälligen Brand entfachen und das Gebäude in Schutt und Asche legen?«
JC ignorierte Happy, nahm das Absperrband und zerriss es angeberisch, indem er es packte und eine Pirouette drehte. Er schlenderte in die Halle, und die anderen folgten ihm. Die Temperatur fiel in dem Moment, als sie aus dem Sonnenlicht in die Finsternis traten. JC schauderte kurz. In die Halle zu gehen war, als tauche man in kalte und dunkle See. Das einzige Licht fiel durch hohe Fenster ein und erhellte den langen, düsteren Innenraum mit einer Reihe von hellen Streifen Sonnenlichts, die von oben bis auf den Boden reichten. JC, Happy und Melody gingen langsam weiter und versuchten, überall gleichzeitig hinzusehen. Ihre Schritte hallten auf dem Betonboden seltsam hohl. Die Räder des Einkaufswagens quiekten laut. Die hohe Halle schien die Geräusche jedoch sofort zu schlucken und ließ sie klein und unbedeutend wirken.
Der weite Innenraum erstreckte sich vor ihnen; ein immenser leerer Raum wie ein Museumsflügel ohne Ausstellungsstücke. Alles von Wert, alles, das vielleicht einmal eine Rolle gespielt hatte, war schon vor langer Zeit abtransportiert worden. Die Fabrik war nur noch eine leere Hülle. JC sah sich interessiert um. Trotz der schweren Düsternis hatte er seine Sonnenbrille noch nicht abgenommen.
Plötzlich blieb Melody stehen, und Happy zuckte unwillkürlich zusammen. Er blickte sich stirnrunzelnd um, während JC Melody ansah und dabei eine elegante Augenbraue hob.
»Hier wurde die Leiche gefunden«, sagte Melody.
Sie alle sahen auf den Boden. Da war ein dunkler Fleck auf dem groben grauen Boden, der aussah, als habe man einer menschlichen Gestalt schreckliche Dinge angetan. Melody machte sich daran, ihre eigene, speziell entworfene Arbeitsstation zusammenzubauen, die mit verschiedenen, normal aussehenden wissenschaftlichen Messgeräten verbunden war. Einiges davon war so neu, dass bisher noch nicht einmal jemand bemerkt hatte,
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