Das Haus der Sonnen
wie sie eine Feuerlinie an den Himmel malte, die erst ganz schwach leuchtete, dann zu einem pastellblauen Band aufflammte, uns für einen Moment blendete und schließlich wieder verblasste, sich in Finger aus stumpfem Rot aufteilte, während Miere jedes einzelne Atom ihres Körpers freigab, jedes Atom ihrer Existenz, alles, was sie gewesen war, alles, was sie jemals hätte sein können, bis von ihr nichts weiter übrig war als die Vorstellung von ihr, die wir im Gedächtnis bewahrten, nicht mehr und nicht weniger.
Als sie längst erloschen war, malten die Raumschiffe noch immer Bilder ihres Lebens an den Himmel, bis auch sie verblassten und die Magnetosphäre des Planeten wieder in ihren Normalzustand zurückkehren durfte. Das jetzt dunkle Raumschiffgeschwader verteilte sich wieder im Orbit. Die Splitterlinge, Gäste und Ymirer begannen sich vor Kälte zitternd zu zerstreuen, obwohl die Kleidung uns bereits wieder wärmte.
Mieres Totenfeier war beendet. Wir hatten ihr die letzte Ehre erwiesen. Jetzt war es an der Zeit, dass wir uns wieder der Gegenwart zuwandten.
Später am Abend, als Portula schon eingeschlafen war, stand ich allein auf einem der Balkone. Ich dachte an die Fragmente aus Mieres Leben, die ich am Himmel gesehen hatte, bemühte mich, Ordnung hineinzubringen, und fragte mich, was sie wohl damit angefangen hätte, wenn sie bei dem Schauspiel zugeschaut hätte. Dann bemerkte ich schwere, stampfende Schritte, ein Geräusch, als würde ein Teppich an Stein schleifen. Ich drehte mich mit dem leeren Weinglas in der Hand um, verloren irgendwo an der undeutlichen Grenze zwischen nostalgischem Gedenken und bitterer, in sich selbst kreisender Melancholie.
Es war Ugarit-Panth, der Elefantenmensch, mit dem ich kurz nach unserer Ankunft auf Neume gesprochen hatte.
Ich hob das Glas. »Ich grüße Sie, Botschafter. Wie hat Ihnen die Totenfeier gefallen?«
Er blieb ein paar Meter vor mir stehen, jedoch immer noch so nah, dass er mir mit dem Rüssel hätte übers Gesicht wischen können. »Sie war sehr bewegend, Splitterling«, sagte sein Menschenmund unter dem langen, faltigen, ein wenig abstoßenden Anhängsel.
»Sie war eine unserer Besten. Sie wird mir sehr fehlen.«
»So sehr wie Ihre Zivilisation, falls sie aufhören sollte zu existieren?« Er hatte Mühe, mich direkt anzusehen – seine Augen saßen an den Schädelseiten, nicht mitten im Gesicht. Deshalb musterte er mich schief und wechselte von einem Auge zum anderen, als wollte er seine beiden Gehirnhälften gleichmäßig beanspruchen.
Ich versuchte den mentalen Nebel, in den mich der Wein gehüllt hatte, beiseite zu schieben. »Es gibt Menschen, die mir mehr bedeuten als die Familie Gentian. Das ist mir erst jetzt so richtig klar geworden.«
»Jetzt, da Ihre Familie beinahe ausgelöscht ist, wiegt die Erkenntnis nicht schwer.«
Etwas in seinem Tonfall alarmierte mich. Ich trat einen Schritt vom Balkongeländer zurück. Mieres langer Absturz ging mir durch den Sinn. Der Umherschweifende Botschafter der Vereinigung der Tausend Welten war ein großes, schwerfälliges Wesen, das ohne Berücksichtigung des schweren roten Panzers und des Zierrats aus Metall etwa zwanzigmal so viel wog wie ich. Wenn ich betrunken war, neigte ich zur Unbeholfenheit – wie er sich in einem vergleichbaren Zustand der Alkoholvergiftung verhalten würde, wagte ich mir gar nicht erst auszumalen. Ich fragte mich auch, ob die Ymirer ihre Balkone für ein solches Gewicht ausgelegt hatten.
»Auslöschung ist niemals gut«, sagte ich mit einem allzu mitfühlenden Lächeln.
»Ja, das stimmt.« Ugarit-Panth trat einen Schritt näher – eigentlich waren es vier Schritte, einer für jedes baumstammdicke Bein. Plötzlich spürte ich seinen Atem im Gesicht, der mich an einen warmen Herd erinnerte, vollgestopft mit fauligem Gemüse. »Sie hätten es beinahe vermasselt, Splitterling. Ich wette, Sie haben geglaubt, Sie wären aus der Sache raus.«
»Was vermasselt?«
»Bei unserer ersten Begegnung. Als Sie mir Ihr Beileid ausgesprochen haben.«
»Tatsächlich?«
»Sie haben bedauert, dass meine Zivilisation aufgrund des Versagens eines Sternendamms ausgelöscht wurde.«
»Da habe ich mich geirrt. Ich habe an den Pantropischen Nexus gedacht – eine ganz andere Zivilisation. Ich hatte nicht mal den Spiralarm getroffen!«
»Doch, das hatten Sie. Ich habe über Ihren Fehler nachgedacht. Sie waren sich so sicher, Ihr Mitgefühl wirkte so überzeugend. Das ist mir nicht mehr aus dem
Weitere Kostenlose Bücher