Das Haus der Sonnen
ich leise.
»Ach, es war wirklich nicht seine Schuld. Ich kann sehr hartnäckig sein, und er konnte ja nicht wissen, dass ich bei der Sache Hintergedanken hatte. Ich habe ihm gesagt, das UA an sich interessiere mich. Ich habe ihm verschwiegen, dass ich lediglich wissen wollte, was darin über die Vereinigung verzeichnet ist. Aber Sie hätten es geahnt, nicht wahr? Das UA wurde im Gegensatz zu den Datenspeichern nicht manipuliert. Niemand hat damit gerechnet, dass ich so weit in Ihre Geheimnisse eindringen könnte.«
Ich seufzte schwer – insgeheim aber auch erleichtert. »Ich nehme an, es hat keinen Sinn mehr, Ihnen noch länger etwas vormachen zu wollen, Botschafter.«
»Da haben Sie vollkommen Recht.«
»Falls es für Sie ein Trost ist, mein Mitgefühl war aufrichtig.«
»Daran habe ich nie gezweifelt.«
»Man hatte mich vorab nicht informiert. Ich vermute, das war Betonies Schuld – er hätte mich vorwarnen sollen, dass bestimmte Gesprächsthemen tabu sind. Aber wahrscheinlich war ihm die Lügerei bereits so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er gar nicht mehr daran gedacht hat.« Ich zuckte die Achseln. »Oder mein Plappermaul war schuld, dass ich die Situation nicht richtig eingeschätzt habe und leichtsinnig vorgeprescht bin. Es tut mir leid, Botschafter. Sie hätten es nicht auf diese Weise erfahren dürfen. Aber Sie werden hoffentlich begreifen, dass die Familie in Ihrem ureigensten Interesse gehandelt hat. Hier ging es nicht darum, einen Fehler zu entschuldigen.«
»Der Untergang einer ganzen Zivilisation – ein Fehler?«
»Wir haben bereits Hunderte Zivilisationen gerettet«, sagte ich. »Ich bedaure, wenn das kaltherzig klingen sollte – aber das ist die einzig mögliche Betrachtungsweise. Das mindert nicht das Ausmaß der Tragödie. Es ist Ihr gutes Recht, zornig zu sein …«
»Zorn trifft es nicht im Geringsten. Das sollten Sie eigentlich verstehen.«
»Botschafter …«
»Und damit Sie’s nur wissen: Sie können jetzt aufhören, mich zu belügen.«
Er wandte sich ab, schlurfte mit seinen flachen Füßen über den Boden. Unter dem Panzer bewegten sich obszön die gepolsterten Hautfalten. Ich beobachtete, wie er in den Wohnraum hineinstapfte, dann blickte ich trostsuchend in mein leeres Weinglas.
»Ein weiterer denkwürdiger Triumph des Taktgefühls und der Diplomatie«, murmelte ich vor mich hin.
In dieser Nacht erschien mir Miere. Ich war in ihrem Zimmer, lag auf ihrem Sofa, schaute zu, wie sie sich Maschinenaspik auf die Hand drückte, worauf ein Netz schwarzer Linien entstand. Doch anstatt mir die Hand über den Kopf zu halten und meine Erinnerungen ans Licht zu bringen, streichelte Miere mir lediglich übers Haar und neigte den Kopf, als wollte sie mich auf die Wange küssen. Dann flüsterte sie mir ins Ohr: »Du hast mich gemocht. Ich mochte dich auch. Jetzt aber musst du etwas für mich tun. Pass gut auf.«
Ich erwachte.
Am Morgen passte ich Galgant ab, bevor er am Frühstückstisch Platz nahm. Als ich ihn am Ärmel zupfte, blickte er sich erwartungsvoll um, als wäre ich eine Geliebte, die ihn mit einem Kuss begrüßen wollte. Als er mich sah, machte seine frohe Erwartung Enttäuschung Platz.
»Du Idiot«, sagte ich, ihm ins gesunde Auge blickend.
Er blinzelte. »Es ist noch ein bisschen früh für Beleidigungen, findest du nicht? Beeil dich, denn ich habe heute Patrouillendienst – sobald ich meinen Kaffee getrunken habe, fliege ich mit dem Shuttle zur Königin der Nacht hoch.«
Ich nahm ihn ein Stück beiseite. »Gestern Abend habe ich eine interessante Unterhaltung mit Ugarit-Panth geführt. Du weißt schon – mit dem Botschafter, der nicht wissen soll, dass seine Zivilisation untergegangen ist.«
»Ach, der.«
»Er meint, du hättest ihm Zugang zum Universalen Aktuarium verschafft.«
»Er wollte wissen, wie es funktioniert. Die soziometrischen Modelle, die statistischen Methoden. Alles harmloses Zeug.«
»Er hat die Gelegenheit genutzt und die Vereinigung der Tausend Welten nachgeschlagen.«
Galgant fuhr sich mit den Fingern durch seine weißen Haarstoppel. »Und?«
»Der Eintrag war nicht verändert worden, du Idiot. Er stimmte nicht mit den lokalen Datenspeichern überein. Jetzt kennt er die Wahrheit. Das UA nannte für die Weiterexistenz der Vereinigung eine Wahrscheinlichkeit von null Prozent, weil sie schon jetzt nicht mehr existiert .«
Galgant fluchte lautlos, als ihm mit einem Schlag klar wurde, was das bedeutete. Er blickte zum
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