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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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die Lippen, ohne es zuvor abzuwischen. »Wie es aussieht, hat Ihre kleine Totenfeier unerwartete Folgen gezeitigt. Sie haben Dinge mit der Atmosphäre angestellt, die wir normalerweise nicht gutgeheißen hätten.«
    »Es war alles vorab genehmigt«, sagte ich und wappnete mich für die erwartete Auseinandersetzung.
    Jindabyne hob beschwichtigend die Hand. »Das will auch keiner abstreiten. Wäre uns das Ausmaß der beabsichtigten Aktivitäten bekannt gewesen, hätten wir Einwände erhoben, doch es ist nun mal so, dass wir Ihnen freie Hand gelassen haben.«
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Campion.
    »Das kommt darauf an«, sagte Jynx. »Offenbar haben Sie den Luftgeist zu einer Reaktion angeregt. Normalerweise wird er nur in den Tagesstunden aktiv – das gilt besonders für sein Erscheinen bei den Beobachtungsplattformen. Nachts manifestiert er sich im Dunkeln. Für uns stellt das ein Problem dar. Wir mögen es nicht, wenn der Geist beunruhigt oder in seinen normalen Verhaltensmustern gestört wird. Es sind schon Zivilisationen untergegangen, weil sie es sich mit dem Geist verscherzt hatten – und wir wollen nicht in ihre Fußstapfen treten.«
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    »Heute Nacht, ein paar Stunden nach der Totenfeier«, sagte die Magistratin, »ist der Geist über der Beobachtungsplattform in Position gegangen, die Sie zusammen mit dem beschädigten Roboter aufgesucht haben. Wir haben seine Bewegungen natürlich überwacht – die Anwesenheit des Geistes in dieser Gegend war für uns daher keine Überraschung. Allerdings haben wir nicht erwartet, dass er sich unmittelbar über den Turm bewegen würde. Dass er anhalten könnte, damit haben wir schon gar nicht gerechnet.«
    »Hesperus ist wieder da. Bitte sagen Sie mir, dass Hesperus wieder da ist.«
    »Nun?«, fragte Campion.
    Die Magistratin saugte nachsichtig am Mundstück. »Es scheint so, als befände sich auf dem Sockel ein goldfarbenes Objekt. Es weist eine humanoide Form auf und ist etwa so groß wie ein Mensch. Gestern war es noch nicht dort.«
    »Wir müssen ihn abholen«, sagte ich zu Campion.
    »Zuerst müssen wir um Erlaubnis bitten«, erwiderte er.
    »Sie haben die Erlaubnis«, sagte die Magistratin. »Weshalb hätte ich Sie sonst rufen lassen? Aber der Geist hält sich immer noch in der Nähe auf. Sie sollten den Robot unverzüglich abholen. Sollte Ihnen das in Stundenfrist nicht gelingen, gehen dessen Überreste in das Eigentum des wissenschaftlichen Forschungsrats über.«
    »Sie sind Eigentum des Maschinenvolks«, entgegnete ich.
    »Nicht mehr. Nachdem der Geist ihn auseinandergenommen hat, handelt es sich um kein Maschinenwesen mehr. Das, was sich auf der Plattform befindet, ist ein Artefakt des Geistes – die Ähnlichkeit mit der Maschine, wie Sie sie kannten, ist rein zufällig. Es ist durchaus zweifelhaft, dass die Atome noch dieselben sind wie zuvor.«
    »Wir sollten jetzt besser nicht spitzfindig werden«, sagte Campion.
    Die Magistratin musterte mich ernst. »Nein, das sollten wir nicht. Brechen Sie jetzt auf. Bergen Sie die Überreste des Robots. Tun Sie damit, was Sie wollen. Wir überlassen es Ihnen, die anderen Robots über diese Entwicklung zu informieren. Aber ich möchte Sie dringend bitten, den Geist fortan in Ruhe lassen.«
    »Das werden wir«, sagte ich.
    »Sie haben von ›Überresten‹ gesprochen …«
    »In voller Absicht. Der Robot scheint sich im selben Zustand zu befinden wie vor der Begegnung mit dem Geist, abgesehen davon, dass er nicht mehr mit den Raumschiffsteilen verschmolzen ist. In jeder anderen Hinsicht ist er nicht lebendiger als zuvor. Was immer Sie erreichen wollten, es ist Ihnen nicht gelungen.«
    Fünf Minuten später rasten wir mit einem Flieger los, dessen Triebwerke wir bis zum Äußersten beanspruchten. Unterwegs sprachen wir nur sehr wenig miteinander. Nachdem die Nachricht von Hesperus’ Wiederauftauchen uns zunächst beflügelt hatte, waren unsere Hoffnungen aufgrund von Jindabynes Zustandsbeschreibung sogleich wieder zerschellt. Die Beobachtungskameras hatten bei der goldenen Gestalt kein Lebenszeichen ausgemacht; seit dem Rückzug des Geistes hatte sie sich nicht bewegt. Während die Dünen unter uns vorbeihuschten, wurde mir bewusst, dass ich die Möglichkeit, dass Hesperus wieder auftauchen könnte, ohne wiederhergestellt worden zu sein, als besonders unwahrscheinlich eingestuft hatte. Ich hatte geglaubt, der Geist werde ihn entweder instandsetzen oder ihn in etwas Neues, Fremdartiges

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