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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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verwandeln, und war davon ausgegangen, dass er niemals zurückkehren würde. Aber dass der Geist ihn auseinandergenommen, für die Dauer von mehreren Tagen in sein Wolkenbewusstsein aufgenommen und ihn anschließend in unveränderter Form zurückgebracht hatte, erschien mir sinnlos. Gleichwohl war die goldene Gestalt wieder aufgetaucht.
    »Vielleicht braucht er noch Zeit zur Erholung«, sagte Campion und berührte meine Hand. »Wie ein Patient nach einem chirurgischen Eingriff, durchgeführt auf einer Welt, wo man die Menschen noch mit Messern und Lasern schneidet.«
    »Es ist nett, dass du mich trösten willst. Aber du solltest mir keine falschen Hoffnungen machen.«
    »Ich meine doch nur … wir wissen nur wenig über Hesperus. Wir sollten nichts ausschließen. Wenn der Geist ihn zurückgebracht hat, dann mit einer bestimmten Absicht.«
    »Weil er mit ihm spielt. Er hat ihn auseinandergenommen wie ein Spielzeug, und jetzt, da er weiß, wie es funktioniert, bringt er es uns zurück.«
    »Ohne es zu reparieren?«
    »Wir kennen die Denkweise des Geistes nicht. Vielleicht hat er anders als wir Hesperus gar nicht als Wesen in Not wahrgenommen.«
    Bald darauf konnten wir ihn deutlich sehen, und ich setzte zur Landung an. Er lag rücklings auf dem Sockel und regte sich nicht, auch dann nicht, als der Flieger über ihn hinwegflog. Die einzige Veränderung bestand darin, dass die mit ihm verschmolzenen Teile der Vespertina verschwunden waren. Der Geist hatte offenbar erkannt, dass sie nicht zu Hesperus gehörten, und die beschädigten oder in der Schmelzmasse aufgegangenen Teile ersetzt. Allerdings war er nicht so weit gegangen, ihn wieder zum Leben zu erwecken.
    Wir parkten den Flieger und stiegen aus. Campion holte die Levatoren von der Ladefläche und schob sie vor sich her zum Sockel.
    Ich kniete nieder und untersuchte Hesperus, fuhr mit der Hand über seine goldene, gewölbte Brust. »Er ist wieder heil«, sagte ich leise, denn ich wollte die schlafende Gestalt nicht stören. »Es sind keine sichtbaren Schäden zurückgeblieben. Selbst die beiden Arme haben wieder die gleiche Größe. Ich glaube nicht, dass noch lebendes Gewebe in dem einen Arm ist.«
    »Der Geist hat ihn wiederhergestellt, aber nicht zum Leben erweckt?«
    »Die Lichter in seinem Kopf leuchten noch. Irgendetwas geht in ihm vor.«
    »Aber die Lebenszeichen sind nicht stärker als zuvor.«
    »So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich dachte, wenn wir ihn zurückbekämen, wäre alles wieder in Ordnung.«
    Campion justierte die Levatoren und hob Hesperus vom Sockel. Seine Haltung veränderte sich dabei nicht, auch die Gliedmaßen behielten ihre Stellung bei. Es war, als wäre er aus einem einzigen Stück Metall gegossen.
    Ich blickte finster zum Horizont, doch der Geist ließ sich nicht blicken. Ich war zornig und vorwurfsvoll, als hätte man mich im Stich gelassen. Als hätte es keine Vereinbarung zwischen uns und dem Luftgeist gegeben.
    »Wir sollten jetzt besser zurückfliegen«, meinte Campion.
    Ich wandte das Gesicht ab, denn ich wollte nicht, dass er meine Tränen sah.

Dreiundzwanzig
     
     
     
     
     
    Mezereum hatte zweihundertsechsundfünfzig Querschnitte von Grilse zu einem Bodenmosaik von sechzehn mal sechzehn Scheiben angeordnet. Die Scheiben waren nach einem komplizierten Schema geordnet, das nur auf den ersten Blick zufällig wirkte. Das Ordnungsprinzip war, dass keine im Ursprungskörper zusammengehörenden Scheiben aneinanderstoßen durften. Das hatte zur Folge, dass eine Scheibe einen Ganzkörperquerschnitt enthielt, welche eine menschliche Gestalt im Profil zeigte, während die Scheibe daneben nur teilweise ausgefüllt war. Die Scheiben wurden von unten beleuchtet und waren erfüllt von langsamem, schwerfälligem Leben. Flüssigkeiten flossen träge wie zwischen Glasscheiben gefangene Ölrinnsale. Die Lungenflügel dehnten sich aus und zogen sich zusammen, und die rhythmische Bewegung wurde von zahlreichen Scheiben des Arrangements aufgenommen. Zwischen den Scheiben verliefen schmale, geflieste Gehwege, die eine Art Gitter bildeten. Das Ganze hatte Ähnlichkeit mit rechteckigen Fischteichen in einem architektonischen Garten, mit fremdartigen, pulsierenden Blüten in dunklem Gewässer. Als wir eintraten, schritt Mezereum gerade einen der Gehwege entlang und warf eine Energiepistole von einer Hand in die andere. Sie war damit beschäftigt, Grilse einzuschüchtern, und stellte ihm die gleichen Fragen, die sie ihm schon ein Dutzend Mal

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