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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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Weite, Decke und Wände Kilometer entfernt, ein Raum, der groß genug war, um die weiße Arche mit ihrem eigenen großen Frachtraum in sich aufzunehmen und sie zugleich winzig erscheinen zu lassen. Auf den zweiten Blick aber wurde mir klar, dass nichts mehr so war, wie ich es in Erinnerung hatte. Jedes einzelne Schiff in Sichtweite war mit einer Schicht weißer und goldener Strähnen bedeckt, die sich zu dicken, faserigen Matten verflochten hatten. Die Umrisse der Schiffe wirkten abgerundet, unscharf, wie bei pflanzenüberwucherten Häusern. Die Kabel hatten sämtliche Oberflächen in Besitz genommen und ihre wahre Form verhüllt. Selbst die weiße Arche war kaum mehr wiederzuerkennen. Ein Wald von Kabeln hüllte das alte Schiff ein, goldfarben und weiß, sich in sinnverwirrender Komplexität immer weiter verzweigend, an aberhundert Stellen die kaum mehr sichtbare Hülle durchdringend. Die Tür, durch die ich das Raumschiff verlassen hatte, war eine der wenigen freien Stellen; sie war von einem dichten Schutzwall goldener Kabel eingefasst, die das Weiß eindämmten. Die goldenen Kabel führten von der Arche weg und bildeten eine Art geflochtenen Tunnel, eine Passage über den Waldboden.
    »Du warst fleißig«, sagte ich.
    »Damit habe ich mir die Zeit vertrieben.«
    Ich verließ den Hangar und wandte mich zur nächstgelegenen Flitzkabine. Dieser Teil des Schiffes hatte sich kaum verändert – hin und wieder stieß ich auf ein goldenes Kabel, doch ansonsten sahen Wände und Oberflächen genauso aus wie zuvor. Das Schwebepaneel war in Bereitschaft. Ich gab das Ziel ein, flitzte in einem Augenblick dorthin und schritt über die Brücke mit dem kilometerlangen Zentralschacht zur anderen Seite des Raums. Die ambossförmigen Maschinen, die ansonsten unaufhörlich auf- und abgewandert waren, regten sich nicht mehr, sondern waren in goldene und weiße Netze eingesponnen.
    Ich betrat eine weitere Kabine und flitzte zur Brücke. »Ich habe für atembare Luft gesorgt«, sagte Hesperus. »Du kannst den Helm abnehmen.«
    Bis zu diesem Moment war ich mir nicht sicher gewesen, ob er noch lebte und ob die Stimme, die ich hörte, nicht von Kaskade hervorgebracht wurde.
    Doch Hesperus lebte – wenn man denn von Leben sprechen wollte. Auf der Brücke befanden sich zwei Robots, mehr oder weniger einander gegenüber postiert. Kaskade befand sich zu meiner Linken, Kopf und Oberkörper waren mit der einen Wand verbunden. Hesperus befand sich auf der anderen Seite und nahm eine ganz ähnliche Haltung ein. Beide Robots hatten sämtliche Gliedmaßen verloren – oder vielmehr so viele Fortsätze gebildet, dass ihre Gliedmaßen sich vervielfacht hatten und nicht mehr als solche zu erkennen waren. Kaskade glich einem vielarmigen Seestern mit humanoidem Oberkörper und dem Kopf im Schwerpunkt; Hesperus war ein goldener Stern, dessen Strahlen in alle Himmelsrichtungen wiesen. Die aus ihren Körpern austretenden Fortsätze waren so dick wie ein Arm oder ein Beingelenk, verjüngten sich aber rasch auf den Durchmesser der Kabel, die ich bereits gesehen hatte. Sie führten von den beiden Robots weg, verknäulten sich, wo immer sie aufeinandertrafen, und bildeten eine aus weißen und goldenen Fäden gewobene labyrinthische Decke. Ich versuchte vergeblich, mit den Augen dem Verlauf eines einzelnen Kabels zu folgen, doch das Muster war einfach zu kompliziert. Allerdings war ich mir sicher, dass die meisten Kabel irgendwo aus dem Raum hinausführten. Dies hier war das Nervenzentrum. Von hier aus hatten die beiden Robots ihre Körper auf alle wichtigen Systeme der Silberschwingen und des Hangars ausgedehnt. Dabei mussten sie Tausende, vielleicht sogar Millionen Tonnen Materie verbraucht haben – sie hatten die Substanz des Schiffes aufgezehrt, um es nach ihren Vorstellungen umzuformen.
    »Nimm den Helm ab«, wiederholte Hesperus. »Hier ist es sicher, und wir können uns einfacher unterhalten.«
    Ich tat wie geheißen. Im Vakuum hätte der Anzug es nicht zugelassen, dass ich den Helm abnahm, doch Hesperus’ Versicherung war trotzdem beruhigend.
    »Wie lange befindest du dich schon in diesem Zustand?«
    »Eine ganze Weile.«
    »Seit du mich in die Stasiskammer gesperrt hast?«
    Er lächelte – dazu war er noch imstande. »Nein, der Zustand der Immobilität ist erst später eingetreten – in den vergangenen sechshundert Jahren. Lange Zeit war ich so, wie du mich in Erinnerung hast. Als du in Stasis gegangen warst, habe ich mich darauf konzentriert,

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