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Das Haus der Sonnen

Das Haus der Sonnen

Titel: Das Haus der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds , Norbert Stöbe
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Bevor du die Arche verlässt, solltest du dich vergewissern, dass dies gefahrlos möglich ist. Wenn dem so ist, wirst du zahlreiche goldene Fäden sehen, die aus dem Hangar führen. Findest du nur weiße Fäden vor, ist es nicht sicher für dich. Wenn sowohl goldene als auch weiße Fäden vorhanden sind, wäre es ratsam, Vorsicht walten zu lassen. Benutze die Flitzkabinen nur dann, wenn du keine andere Wahl hast.« Und als wäre ihm der Gedanke erst im letzten Moment gekommen, fuhr er fort: »Ich habe einen Raumanzug für dich anfertigen lassen. Ich hoffe, er passt dir, und freue mich schon darauf, unsere Bekanntschaft zu erneuern. In Freundschaft, Hesperus.«
    »Danke«, sagte ich leise.
    Ich beendete das Frühstück. Dann leerte ich meine Blase, nahm ein Bad und ließ mir frische Kleidung anfertigen. Erst dann begann ich nach eventuellen weiteren Nachrichten zu suchen.
    Es dauerte nicht lange, da entdeckte ich den ersten Faden. Ich schritt auf der Suche nach dem Raumanzug einen Flur entlang, als ich zu einem Hindernis gelangte, das zuvor nicht dagewesen war. Ein faustdickes Kabel spannte sich in Brusthöhe zwischen den Wänden. Es war weiß und so glatt wie ein Eiszapfen, doch da das Wandmaterial an den Austrittsstellen gesplittert war, bezweifelte ich, dass es zu den Systemen der Arche gehörte. Kurz darauf entdeckte ich ein weiteres weißes Kabel, doch diesmal verlief es über den Boden und gabelte sich. Die eine Abzweigung verschwand im Boden; die andere führte an der Wand nach oben in die Decke.
    Mit einem flauen Gefühl im Magen ging ich weiter. Im nächsten größeren Raum stieß ich auf ein Durcheinander weißer und goldener Kabel, die aus verschiedenen Oberflächen austraten und wie die Strähnen eines monströsen Spinnennetzes in alle Richtungen den Raum durchzogen. Die Kabel fühlten sich steif und unnachgiebig an. Einige weiße Kabel hatten sich um die goldenen geschlungen und umgekehrt – wie Schlinggewächse, die einen großen Baum zu ersticken suchten. Obwohl sich nichts regte, hatte ich das Gefühl, einem titanenhaften Kampf beizuwohnen.
    Wo ich auch hinkam, überall bot sich mir das gleiche Bild. In manchen Bereichen der Arche überwogen die wei ßen Kabel, in anderen die goldenen. In einigen kritischen Bereichen kämpften die weißen und goldenen Kabel um die Vorherrschaft. Hier und da fand ich ein abgetrenntes Ende. Ich stellte mir vor, Kadenz lasse Tentakel aus ihren Wunden austreten, die sich mit den Bordsystemen zu verbinden suchten, um darin Unheil zu wirken. So ähnlich musste es sein, jedoch in viel größerem Maßstab.
    Ich dachte an Hesperus’ Empfehlung, den Hangar aufzusuchen. Hätte er es mir nicht nahegelegt, wäre ich nie auf die Idee gekommen, sondern hätte angenommen, der Frachtraum sei so leer wie der Rest des alten Raumschiffs. Jetzt aber wurde ich von einem dunklen Drang geleitet, als steuerte ich schlafwandelnd ein Ziel an, das nur meinem Unbewussten bekannt war. Das Vorankommen fiel mir immer schwerer – das Kabelgewirr wurde immer dichter, bis ich mich durch die Lücken zwängen musste. Manche Bereiche der Arche waren völlig intakt, andere noch umkämpft. Offenbar war der Hangar von entscheidender Bedeutung.
    Schließlich wurden die Hindernisse weniger – ich hatte das Gefühl, ins Auge des Sturms zu geraten. In der dicken Wand war ein Fenster, durch das man in den Hangar blicken konnte, der eigentlich hätte unbeleuchtet sein sollen. Doch er war erhellt, aber das durch das Fenster dringende Licht war nicht stetig, wie man es eigentlich hätte erwarten sollen. Es flackerte und war blau oder violett getönt. Ich kniff die Augen zusammen und spähte in die Helligkeit. Der Hangar war gar nicht leer. In der Mitte schwebte eine Maschine, die den größten Teil des Raums beanspruchte und mir einerseits vertraut vorkam, andererseits beunruhigend fremd. Sie bestand aus acht messingfarbenen Kugeln, die in Reihe angeordnet waren, als steckten sie auf einem Spieß. Die jeweils etwa hundert Meter durchmessenden Kugeln waren spiegelglatt.
    Ich hatte den Einmalöffner vor mir. Gehalten von seinen eigenen Levatoren, schwebte er im Gravitationsfeld der Arche. Außerdem hatte er einen Impassor aufgebaut – die acht sphärischen Felder waren miteinander verschmolzen, so dass das Gebilde einer mehrfach abgeschnürten Wurst glich. Die Energiefelder des Impassors machten sich durch eine Art Flirren bemerkbar, vergleichbar den Spektralmustern von Ölschlieren auf einer Wasseroberfläche.

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