Das Haus der tausend Blueten
unsere Fehde mit den Woos endgültig zu Ende ist!«
»Unsinn«, sagte ihre Mutter, die Walnussschale noch immer wie die Augenklappe eines Piraten auf dem Auge. »Diese Fehde hat doch schon Jahre vor der verdammten Sprengung des Damms begonnen.«
»Aber wir können jetzt noch einmal von vorn anfangen. Vergeben und vergessen.«
»Die Woos vergessen niemals. Niemals!«, schnaufte ihre Mutter und nahm dabei den rauchenden Stumpen aus ihrem Ohr.
Lu See blies die Backen auf. »Nun, ich jedenfalls hatte nie Streit mit ihnen.«
»Sie werden uns immer als ihre Feinde betrachten«, sagte Onkel Hängebacke. »Schau dir doch nur einmal an, wie sie Mabel behandeln. Sie weigern sich, sie anzuerkennen. Ihre eigene Enkelin!«
»Nun, um seinen Feind kennenzulernen, muss man sich mit ihm gutstellen, oder zumindest so tun, als würde man das wollen, oder?«
Onkel Hängebacke fächelte sich mit einem Bananenblatt Luft zu. »Was schlägst du also vor, Lu See?«
»Wir laden sie ein.«
Onkel Hängebackes Kinn klappte nach unten wie eine Ziehharmonika. »Sie einladen? Was? Aahh, etwa zu einer Teeparty?« Er lachte und tat dabei so, als hielte er eine Teetasse mit abgespreiztem kleinem Finger in der Hand. »Gurkensandwiches auf dem Rasen? Alles so piekfein und hochnäsig wie bei den Briten?«
»Ich dachte mehr an ein Gläschen Kokospalmbier.«
»Im ganzen Land herrscht Lebensmittelknappheit, und du willst eine Party geben?«, meinte ihre Mutter mit einem affektierten Grinsen.
»Ich versuche doch nur eine Brücke zu bauen! Ich möchte einmal in Ruhe mit Matriarchin Woo sprechen.«
»Mit dieser sturen alten Kuh? Cha! «
»Sie werden sich nur provoziert fühlen, eh. Und wenn wir schon vom Provozieren sprechen«, sagte Onkel Hängebacke dann zu seiner Schwester und schweifte wieder einmal von Thema ab. »Eine Verletzung des Auges kann grauen Star auslösen. Du solltest also diese Walnuss entfernen.«
»Wann hat ein Teoh das letzte Mal einen Woo eingeladen?«, fragte Lu See und merkte, wie sie ein wenig ungeduldig wurde.
Der beleibte Onkel kratzte sich nachdenklich an der Stirn. »Du meinst, außer zu einer wilden Schlägerei? Noch nie. Zumindest nicht, seit ich auf der Welt bin.«
»Nun, da habt ihr es. Es wird Zeit, dass sich das ändert.«
Onkel Hängebacke zuckte mit den Schultern. »Besser, der Indianer pinkelt aus dem Wigwam als in den Wigwam.«
Am nächsten Tag nahm Lu See ihren Tuschestab und etwas Wasser, um Tusche anzureiben. Mit einem Pinsel schrieb sie dann eine Einladung auf eine chinesische Schriftrolle, wobei sie die Namen der Familien sorgsam in schwarzen Buchstaben aufs Papier brachte. Als sie fertig war und die Tinte trocken getupft hatte, schickte sie einen barfüßigen Dorfjungen nach Swettenham Lodge, dem Anwesen der Woos, um die Einladung zu überbringen.
»Was, lah ?«, fragten sich die Dorfbewohner. »Das kann doch nur eine List sein!«
Binnen weniger Stunden erhielt Lu See Antwort – sie bestand nur aus einem Wort und besagte, dass man die Einladung zu einem Drink annehme.
Lu See nahm aus dem Schränkchen im Billardzimmer die einzigen Gläser, die sie noch im Haus hatte, mehrere Kelche, die alle nicht zusammenpassten, und stellte sie auf den Esstisch.
»Du solltest auch noch einen kleinen Imbiss vorbereiten. Die Woos erwarten sicher etwas zu essen. Und du beeilst dich jetzt besser, wenn noch alles rechtzeitig fertig werden soll. Übrigens siehst du nervös aus. Bist du nervös?«
Verärgert fauchte Lu See ihre Mutter an. »Ja, Mutter, ich bin nervös. Du etwa nicht?«
»Warum sollte ich nervös sein? Du bist diejenige, die diese Leute eingeladen hat.« Sie nahm ihre Brille ab und polierte die Gläser mit ihrem Ärmel. »Das war allein deine Idee.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst.«
Ihre Mutter wiegte den Kopf hin und her. »Und eine schlechte Idee war es obendrein. Wie viele von ihnen, glaubst du, werden kommen?«
Lu See nahm ein Tuch und wischte den Staub von den Gläsern. »Ich denke, dass wir das Oberhaupt der Familie und vielleicht noch einen seiner Söhne zu Gesicht bekommen werden.«
»Einen von Adrians Brüdern, meh ?«
Lu See schluckte, spürte einen Kloß im Hals. »Das nehme ich jedenfalls an.«
Ihre Mutter schüttelte den Kopf und kratzte sich dann an den Handflächen. »Du weißt, dass sie nur herkommen werden, um dir die Schuld an diesem Unfall zu geben.«
Lu See biss die Zähne zusammen. »Nun, dann kann ich das auch nicht ändern. Ich werde es einfach hinnehmen
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