Das Haus der tausend Blueten
schwelende Zigarre.
»Was zum Teufel …?«
»Alles in Ordnung!«, stieß ihre Mutter hervor und hörte sich dabei so an, als wäre überhaupt nichts in Ordnung. »Das ist nur eine Akupunkturtherapie der Bauern. Kein Grund zur Panik«, sagte sie, obwohl sie ziemlich panisch klang.
»Warum hast du eine Walnuss auf deinem Auge?«
»Ich habe sie in Kräutertee eingeweicht. Zur Behandlung von Augenerkrankungen. Und getrocknete moxa -Blätter im Ohr zu verbrennen ist gut für den Kreislauf.«
»Ich wusste nicht, dass du ein Problem mit den Augen hast.«
»Habe ich auch nicht.« Sie hob ein in einer Pyjamahose steckendes Bein und winkelte es an. »Es sind meine Nerven. Ich zittere noch immer am ganzen Körper, wenn ich nur daran denke, was mit dir passiert ist.«
Lu See wollte ihr sagen, sie solle sich keine Sorgen machen, aber was würde das nützen? Ihre Mutter tat in letzter Zeit überhaupt nichts anderes mehr, als sich Sorgen zu machen und sich ständig zu beklagen.
»Ich habe dir doch gesagt, dass die Leute auf Rache aus sind. Aber du bist immer so stur. Was für eine Schande, dich heute dort im Dreck knien zu sehen.« Lu Sees Mutter griff sich mit der Hand theatralisch ans Herz. »Wie kann ich in diesem Dorf jetzt noch meine Selbstachtung wahren?«
»Das Problem wird sich nicht mehr lange stellen. Ich habe bereits mit Onkel Hängebacke gesprochen. Wir haben beschlossen, dass wir nach Kuala Lumpur ziehen werden.« Lu See sah aus dem Fenster, vergewisserte sich, ob nicht doch noch irgendwelche Dorfbewohner vor dem Haus herumlungerten. »Er wird versuchen, das Anwesen und den verbliebenen Grund möglichst gut zu verkaufen. Wir werden ein neues Leben in der Stadt beginnen. Vielleicht werde ich dort ein kleines Restaurant eröffnen.«
»Ein Restaurant«, schnaubte ihre Mutter verächtlich.
»Aber es gibt da etwas, was Onkel Hängebacke und ich noch tun müssen, bevor wir gehen. Wir müssen die Orgelpfeifen holen, die wir vor Jahren vergraben haben, und wir müssen die Kirchenorgel wieder instand setzen. Das bin ich Zweiter Tante Doris und Tak Ming schuldig.«
»Ein Restaurant!«, wiederholte ihre Mutter. »Vor dem Krieg eine der einflussreichsten Familien in Penang … und jetzt? Jetzt sollen wir ein Chop-Suey-Haus betreiben«, fauchte sie. »Und was werde ich dann tun? Soll ich etwa das Geschirr spülen?«
Lu See tat so, als hätte sie das überhört.
»Es tut mir leid, aber ich kann deinem Vater noch immer nicht verzeihen, dass er unser Land an die Japaner verkauft hat. Und noch dazu so billig! Wir waren früher hoch angesehen …« Rauch drang in feinen Kringeln aus ihrem Ohr heraus. »Mit einem einzigen Federstrich hat er uns arm gemacht! Arm!«
»Beruhige dich, Mutter. Ich dachte, deine Generation wäre so gut darin, ihre Gefühle zu verbergen?«
»Wie sollte ich das, wo sich dein Vater doch wie ein Fischhändler an einem heißen Tag verhalten hat? Alles verkaufen, verkaufen, verkaufen.«
»Das hat uns am Leben erhalten.«
»Am Leben? Wen kümmert es schon, am Leben zu sein? Was ist mit dem gesellschaftlichen Ansehen?«
Wütend ging Lu See in die Küche. Sie machte sich eine Tasse boh -Tee und blätterte zur Ablenkung in der Zeitung.
»Was ist denn das?«, rief sie plötzlich laut, als sie eine der Schlagzeilen las. »Mutter, Onkel Hängebacke!«, keuchte sie dann und rannte ins Wohnzimmer. »Hört euch das an! Hier steht, dass der Vorsitzende von Hip Sing Rubber Processing Co. auf seinem Sterbebett gestanden hat, dass er die Sprengung des Damms am Juru angeordnet hätte. Er hat behauptet, er habe es getan, weil er die Plantagen zerstören wollte, um so das Land später billig kaufen zu können.«
Ihr Onkel zuckte zusammen. »Verdammter, nichtsnutziger Schuft, aahh! Dieser Bursche ist wie eine Spinne, die hinter einem Stein hervorkriecht.«
»Wartet, hier steht noch mehr. Er habe das Komplott zusammen mit dem verstorbenen Woo Hak-yeung geschmiedet, einem schamlosen Kollaborateur, der schon vor Jahren aus dem Woo-Clan ausgestoßen worden sei. Woo Hak-yeungs Leiche wurde letzte Woche in Juru gefunden. Sie hing an einem Baum. Man geht davon aus, dass es sich dabei um einen Mord aus Rache gehandelt habe.«
»Woo Hak-yeung war als das Schwarzköpfige Schaf bekannt«, sagte Onkel Hängebacke.
»Der Mann mit dem Muttermal. Dann war er es also doch. Er ist wirklich tot. Ich muss mich getäuscht haben. Es war die MPAJA , die ihn getötet hat. Versteht ihr denn nicht, was das bedeutet? Es bedeutet, dass
Weitere Kostenlose Bücher