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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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ist heute in aller Frühe geschehen.«
    »Ich habe ihm gesagt, dass er Ärger bekommen würde.«
    Das Gesicht des Mannes war jetzt wie versteinert, seine Stimme aber war sanft. »Es hat einen Unfall gegeben. Ihr Mann …«
    In diesem Moment sah sie, dass er Adrians Bibliotheksausweis in der Hand hielt. Sie starrte ihn verständnislos an, dann drehte sie sich langsam zu Sum Sum um. Hinter ihr kochten die Eier im sprudelnden Wasser auf dem Herd, das Eiweiß war aus den geplatzten Schalen ausgetreten wie farbloses Blut aus zerschmetterten Schädeln.
    »Er ist aus großer Höhe abgestürzt, Mrs Woo.«
    Lu See machte einen kleinen Schritt rückwärts. Etwas packte nach ihrem Herzen.
    »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann tödlich verunglückt ist.«
    Sie hörte ihren Mund diese unglaublichen Worte wiederholen. Dann wandte sie sich ab und taumelte gegen die Wand. Ihr wurde schwarz vor den Augen.

Zweiter Teil
    1945

1
    Vor der Invasion in Malaysia im Jahre 1941 hatte es in Georgetown, Penang, antijapanische Demonstrationen gegeben. Angeheizt von Zeitungsberichten über die Grausamkeiten der Japaner in Nanking machten sich die hiesigen Chinesen zunehmend Sorgen, dass die Kaiserliche Armee ihre Brutalität auch auf Malaysia ausdehnen würde.
    Lu See hatte eine von der Chinesischen Handelskammer verfasste Petition unterzeichnet, in der die Ausweisung der im Land lebenden Japaner verlangt wurde. Sie wurde dem Resident Councillor vorgelegt, der sie höflich in einer der untersten Schubladen seines Schreibtischs verschwinden ließ.
    Niemand hatte den Verdacht gehegt, Tokio könnte Spione einsetzen, die sich als Kautschukkäufer, Friseure oder Holzhändler tarnten. Und niemand hatte vermutet, dass die Japaner Einheimische anwerben könnten, damit sie ihren Schiffen auf dem Meer heimlich Leuchtzeichen gaben. Nur wenige Menschen hatten überhaupt daran geglaubt, dass es zu einer groß angelegten Invasion kommen würde. Der Gouverneur von Singapur hatte allen Malaysiern versichert, dass die alliierten Truppenverstärkungen kein Grund zur Beunruhigung seien, dass die zunehmende Präsenz australischer, walisischer und schottischer Soldaten ausschließlich dazu diene, die Versorgung mit Gummi und Zinn zu gewährleisten.
    »Singapur ist uneinnehmbar«, sagten die Briten. Die Flottenbatterien und Dreißig-Inch-Geschütze, die aufs Meer hinauswiesen, seien der Beweis dafür. »Die Japsen wären verrückt, wenn sie versuchen würden, uns anzugreifen. Ihr seid hier sicherer als irgendwo anders.«
    Auf diese Aussagen hin versammelten sich Hunderte britische Familien im Hafen von Penang, um sich nach Singapur einzuschiffen. Ein Gefühl der Erleichterung ergriff alle, als sie an Bord gingen. Die Chinesen hingegen waren klüger. Sie wussten, dass die Japaner Singapur niemals vom Meer her angreifen würden, sondern von der Ostküste aus. Die britischen Geschütze, die in die andere Richtung ausgerichtet waren, stellten so keine Gefahr für sie dar. Ohne jeden Zweifel: Die Japaner würden über Land einmarschieren.
    Sobald Lu See Gerüchte hörte, dass die Japaner an der nordöstlichen Küste der malaiischen Halbinsel gelanden waren, machte sie sich an die Arbeit. Sie begann, die Orgelpfeifen in der neuen anglikanischen Kirche abzubauen.
    »Warum machst du das?«, fragte Onkel Hängebacke. »Sollten wir stattdessen nicht lieber Reisvorräte anlegen oder alle Wannen mit Wasser füllen, falls es zu brennen anfängt?«
    »Es geht um das Kupfer«, antwortete sie, während sie beobachtete, wie die hellen Sonnenstrahlen über den Kirchenboden krochen. »Die Japsen werden sie einschmelzen lassen und für ihre Kriegsmaschinerie nutzen. Das werde ich nicht zulassen. Diese Orgel bedeutet mir sehr viel.«
    »Was willst du denn mit den Pfeifen machen, eh? Wie viele sind es eigentlich?«
    »Es sind fünf Reihen. Und pro Reihe sind es einundsechzig Stück.« Die Adern in ihren Schläfen traten hervor, als sie, nachdem sie die Schrauben gelöst hatte, eine Pfeife aus ihrer Verankerung hob. »Wir werden sie im Dschungel vergraben und die Stelle mit einem Grabstein kennzeichnen. Ich gehe davon aus, dass nicht einmal die Japaner so pietätlos sind, um Gräber zu öffnen.«
    Zusammen mit ihrem Onkel kennzeichnete sie jede einzelne Pfeife, damit sie später wusste, an welche Stelle sie gehörte, und wickelte sie dann in eine geölte Leinwand ein.
    Lu See verlor jedes Zeitgefühl, während sie voller Konzentration arbeitete. Schweißflecken wuchsen auf

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