Das Haus der tausend Blueten
besorgen.«
»Wie viel?«
» Aiya, dieser Mann ist ein Gauner. Er verlangt viel zu viel.«
»Wie viel?«
Er ließ die Kugeln seines Abakus klappern. »Er verlangt etwa 35 Dollar pro Katty.«
»Das ist absurd. Letztes Jahr haben Sie Dosen mit Zucker zu 6 Dollar pro Katty verkauft.«
»Ich sagte Ihnen doch, dass dieser Mann ein Halsabschneider ist. Ich rate Ihnen, nichts bei ihm zu kaufen.«
Sie nahm eine Handvoll japanisches Besatzungsgeld aus ihrer Börse, aber er hob die Hände. »Nein, bezahlen Sie später. Ich kann nicht garantieren, dass dieser Mann die Ware liefern kann. Kommen Sie morgen wieder.«
Am nächsten Tag stand Lu See wieder in seinem Laden.
»Dieser Kerl ist wirklich ein Teufel. Er sagt, dass der Zucker jetzt 37 Dollar pro Katty kostet. Ich rate Ihnen dringend, nicht zu kaufen.«
Sie wusste ganz genau, dass der Freund des Ladenbesitzers in Wirklichkeit gar nicht existierte und dass Mr Ko einen kleinen Vorrat an Zucker unter den Bodendielen versteckt hatte.
»Hören Sie doch endlich mit den Spielchen auf! Wenn der Zucker 37 Doller pro Katty kostet, dann ist es eben so. Aber ich brauche eine Quittung für den Oberst.«
Ko lachte und schüttelte den Kopf. »Dieser Bursche ist ein richtiger Halunke.«
Sie bezahlte und verließ den Laden mit einer Dose Zucker unter dem Arm. Draußen vor der Tür schirmte sie ihre Augen mit der Hand vor der gleißenden Sonne ab. Sie blickte nach oben und sah die Hinomaru , die japanische Flagge der aufgehenden Sonne, wie ein Leichentuch über dem Dorfplatz im Wind flattern.
Sie hasste es, Waren auf dem Schwarzmarkt kaufen zu müssen, aber ihr blieb einfach nichts anderes übrig. Sie hatte sich daran gewöhnt, genauso wie sie sich an alles andere gewöhnt hatte, was die Besatzung mit sich brachte.
In dem Bemühen, die letzten Spuren der britischen Herrschaft auszulöschen, hatten die Japaner eine neue Währung eingeführt. Sie gaben inzwischen auch eigene Briefmarken heraus, welche die »Wiedergeburt von Malaysia« verkündeten. Selbst die Uhren hatten sie auf Tokioter Zeit umgestellt. Es gab sogar den Versuch, Nippon-go zur Amtssprache der Region zu machen – in den Schulen wurde bereits Japanisch gelehrt, und das Aikoku Koushinkyoku , ein militärisches Marschlied, dröhnte zu jeder Tageszeit aus dem Radio.
Sie überquerte die Straße und betrat den Hauptplatz von Po On Village. Einige Hühner, die in der Erde nach Würmern gescharrt hatten, stoben vor ihr davon. Um Lu See herum waren alle Ladenschilder in Katakana beschriftet; die Auslagen der Straßenhändler waren jetzt ebenfalls in japanischer Schrift gekennzeichnet. Und auch bei jedem Straßenschild und Verkehrszeichen war das englischen Original in Katakana überschrieben worden.
Zwei Mitsubishi Zeros flogen über ihr am Himmel dahin, was die Gans des Dorfes mit einem klagenden onk-onk kommentierte.
Nicht mehr lange, ihr Scheißkerle, dachte Lu See, während sie den sich entfernenden Kampfflugzeugen hinterhersah.
Seit Monaten schon gab es Gerüchte von den amerikanischen Erfolgen in Iwo Jima, der Zurückeroberung von Rangoon, der Befreiung Manilas und den Luftangriffen auf Osaka und Yokohama. Ein jedes Mal, wenn es jemand wagte, von einem Sieg der Alliierten zu berichten, hüpfte und sang Lu Sees Herz. Als sie jetzt durch das Dorf ging, hörte sie, dass die Royal Air Force bereits Waffen und Funkgeräte im Dschungel von Johor abwarf.
Nicht mehr lange, bis die Briten wieder an der Macht sind, dachte sie . Aber bis dahin musst du deinen Kopf einziehen und den Mund halten. Kümmere dich nur um deine eigenen Angelegenheiten.
Sie ging an der alten Holzhandlung vorbei und zog wie üblich die feindseligen Blicke der Leute im Laden auf sich. Ihr war bewusst, dass es ihr einige der Dorfbewohner mehr als nur übel nahmen, dass sie für Tozawa arbeitete.
Unter den gegebenen Umständen würdet ihr genau dasselbe tun. Jedenfalls sehe ich nicht, dass ihr euch weigert, japanische Kunden zu bedienen. Verdammte Heuchler!
Genau in diesem Moment stieß sie mit einem Infanteristen zusammen, der gerade aus der Tür des Dorfladens geschlendert kam.
»Rei!«, schrie er.
Lu See verbeugte sich hastig.
Der Soldat richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Sie verbeugte sich erneut, starrte dabei wütend seine Hosenbeine an, die an den Knien mit Gurtgamaschen zusammengefasst waren. Dann erbot sie dem Soldaten einen höflichen Gruß.
Er schlug sie auf den Kopf und streckte dann seine Hand aus. Er wollte ihre Papiere
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