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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Onkel Hängebackes Hemd wie Moos auf der Mauer eines Tempels.
    »Aiyoo!«, klagte er. Er bewegte seinen Kopf hin und her und schüttelte seine dicken Hände. »Was ist nur mit meiner Nichte geschehen? Wer hat sie in diese verkniffene Weltverbesserin verwandelt, nah ?«
    »Jetzt haben wir es fast geschafft«, sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Fast.«
    Anschließend setzte sie sich hinter das Steuer eines der Lastwagen der Plantage, um ihre Ladung an den Rand des Dschungels zu transportieren. Dann gruben sie abwechselnd einen drei Meter langen Graben. Während Lu See schaufelte, hielt Onkel Hängebacke Wache.
    »Nach wem soll ich eigentlich Ausschau halten?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht genau: nach japanischen Spionen, nach Denunzianten, nach den Woos.«
    Zwei Stunden später drehte sich Lu See um und starrte in die Ferne, um sich für einen kurzen Moment von den Schmerzen in ihrem Rücken und ihren Armen zu erholen. Der Schweiß, der ihr übers staubige Gesicht lief, hinterließ rosa Spuren auf ihrer Haut. Ihre Hände waren wund und voller Blasen.
    »Mein ganzer Körper fühlt sich schrecklich an«, stöhnte sie.
    Über dem Horizont lag ein Dunstschleier. Im dunklen Wald zu ihrer Linken warfen die Bäume ein Mosaik aus Schatten auf den Boden. Plötzlich bemerkte sie, dass sich dort etwas bewegte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser über den Rand des Grabens sehen zu können.
    »Was zum Teufel ist das?«
    Sie zeigte mit dem Finger in die Richtung, in der sie etwas bemerkt hatte.
    »Hm?«
    »Dort, auf der Lichtung.«
    Sie war sich sicher, genau an der Stelle, an der sich der Dschungel zu einer mit Chinaschilf bewachsenen Schneise lichtete, eine wellenförmige Bewegung gesehen zu haben.
    Sie blinzelte, strengte ihre Augen an und meinte schließlich, die Gestalt eines Mannes zu erkennen.
    Ein Mann mit einer schiefen Schulter.
    Sie verharrte vollkommen still, so als sähe sie einer Schlange in die Augen. Sie wagte nicht, sich zu rühren. Als sie wieder blinzelte, war der Mann verschwunden.
    »Ich sehe gar nichts, eh!«
    »Ich bin mir aber sicher, dass da jemand war.«
    Onkel Hängebacke betrachtete sie von der Seite, sah die Angst, die ihr ins Gesicht geschrieben stand.
    Hatte sie sich das alles wirklich nur eingebildet? Sie schauderte. Es war dieses Zittern, das von irgendeinem sehr ursprünglichen Teil von ihr ausging. Sie suchte das Chinaschilf noch einmal mit den Augen ab. Allmählich kam sie sich albern vor. Eilig legten sie die Orgelpfeifen in die Erde.
    Zwei Monate später, am 16. Februar 1942, sah Lu See in der Straight Times ein Foto von General Arthur Percival, der General Tomoyuki in den Ford-Motorenwerken in Singapur gerade die Kapitulationsurkunde übergab, die er kurz zuvor unterzeichnet hatte.
    Aus Kuala Lumpur kam die Nachricht, dass die Japaner Banken, Kirchen, Moscheen und Tempel geplündert hatten.
    Die Kapitulation war vollkommen.
    » Jo-san, Miss Lu See.« Der Geschäftsinhaber stützte sich mit den Händen auf den Ladentisch und beugte sich nach vorn. »Und jo-san auch dir, meine kleine Freundin. Wie darf ich dich nennen?«
    Lu See legte ihrer Tochter die Hände auf die Schultern. »Sag, wie du heißt.«
    Das kleine Mädchen biss sich auf die Oberlippe und murmelte dann: »Mabel.«
    Der Ladenbesitzer lächelte. » Gwai-lah! Sie ist sehr hübsch, genau wie ihre Mutter. Also, womit kann ich Ihnen heute dienen?«
    Lu See betrachtete die leeren Regale. »Haben Sie weißen Zucker, Mr Ko?«
    Der Ladenbesitzer wackelte mit dem Kopf. »Nein, tut mir leid.«
    Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. »Ich kann bezahlen.«
    Er wackelte wieder mit dem Kopf. »Selbst wenn Sie mich mit Diamanten bezahlen könnten, ich habe keinen Zucker. Unsere Dai-Nippon-Brüder rationieren sämtliche Waren.«
    »Schauen Sie, bitte.« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. »Es sind keine Regierungsbeamten in der Nähe. Außerdem ist der Zucker sowieso für den Oberst. Der Laster mit den Vorräten für ihn hat in den letzten Wochen keinen Zucker gebracht. Ich bezahle, welchen Preis auch immer Sie verlangen!«
    » Aiya, Miss Lu See.« Mr Ko verzog das Gesicht, tat so, als wäre er beleidigt. »Wenn ich Zucker hätte, würde ich Ihnen natürlich welchen verkaufen, aber ich habe wirklich keinen.« Dann wies er mit dem Kinn Richtung Tür und senkte die Stimme. »Aber ich kenne da einen Mann, einen Freund, eh?« Er sah sie von der Seite an. »Er könnte Ihnen vielleicht Zucker

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