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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Fernlicht an, trat das Gaspedal durch und hielt geradewegs auf sie zu.
    Er fuhr auf ihrer Spur. Ihre einzige Chance bestand darin, auf die linke Spur auszuweichen, und dann würde er sich einfach auf der Straßenmitte halten und sie so in den Abgrund drängen. Der Motor des alten Ford brüllte wie ein angreifendes Raubtier, und sie schwenkte nach links aus, genau wie er es geplant hatte.
    Er raste weiter auf sie zu und versperrte ihr den Weg. Sie hatte keine andere Möglichkeit, als auf der Seite des Wasserfalls auf den Grünstreifen neben der Straße auszuweichen, und er wusste, wie nachgiebig der Boden hier war. Unter dem Gewicht ihres Wagens würde sich die Erdschicht vom Grundgestein lösen und in den Abgrund rutschen. Es war schon ein Wunder vonnöten, um sie zu retten, und für Sünderinnen wie sie geschahen keine Wunder.
    Das starke Scheinwerferlicht erhellte das Innere des Subaru und blendete sie. Fasziniert starrte er sie an, während er auf sie zuhielt: die Verwirrung und die Panik in ihrem Blick, die Tränen, die ihr über die Wangen liefen.
    Tränen? Sühnetränen etwa? Hatte er sich womöglich zum ersten Mal geirrt? Hatte sie ihre Sünden bereut? Egal, es war zu spät. Der vordere Kotflügel seines Pick-ups schrammte an der Seite ihres Subaru entlang, der – da er viel leichter war – sofort ins Rotieren geriet und auf dem regennassen Asphalt auf den Abgrund zuschlitterte.
    Er zauderte nicht, bremste nicht ab. Er raste einfach in die Dunkelheit davon, während Madonna lauthals davon sang, wie sie zum Beten auf die Knie sank, und er wusste, dass er seine Pflicht getan hatte.
    Es geschah so schnell, dass Sophie keine Zeit zum Nachdenken blieb. Vom starken Licht geblendet, konnte sie nur ahnen, dass das große Fahrzeug direkt auf sie zuhielt. Dann knirschte Metall, und sie drehte sich wie auf einem Karussell. Trotz aller Versuche, mit dem Lenkrad gegenzusteuern, wurde ihr Wagen von der Straße geschleudert.
    Sie trat heftig auf die Bremsen, aber der Wagen schlitterte weiter durch die Finsternis, nun über rauen Untergrund. Dann kam er abrupt zum Stehen.
    Sie wusste nicht, wie lange sie – wie betäubt von dem Schock – regungslos sitzen blieb. Natürlich hatte sie ihren Gurt angelegt, sich aber trotzdem irgendwo den Kopf gestoßen, und ihr war, als ob sie blutete. Mit tauben Fingern löste sie den Sicherheitsgurt. Der Motor war abgewürgt worden, aber die Scheinwerfer strahlten weiter in die Dunkelheit, ins Nichts, in den feinen, beharrlichen Nieselregen.
    Wer auch immer sie von der Straße gedrängt hatte, war längst weg. Bestimmt ein Besoffener: Im Northeast Kingdom schien das Fahren unter Alkoholeinfluss geradezu ein Volkssport zu sein. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal mitbekommen, dass er sie beinahe umgebracht hatte.
    Sie hantierte am Türgriff herum und stieß die Tür auf. Als sie aussteigen wollte, trat ihr Fuß ins Nichts.
    Panisch kletterte sie ins Innere zurück, und der Wagen geriet ins Schaukeln. Als echte Organisationsperfektionistin hatte sie stets eine Taschenlampe im Handschuhfach. Sie griff nach der Lampe und leuchtete zur Tür hinaus. Und ließ sie in das Nichts unter ihr fallen.
    Viel Zeit verstrich, bevor die Lampe aufschlug. Jetzt konnte sie auch das eigenartige Rauschen einordnen: Sie hatte das unglaubliche, atemberaubende Pech gehabt, ausgerechnet an den Dutchman’s Falls einem betrunkenen Autofahrer zu begegnen. Nur wenige Zentimeter weiter, und sie wäre in den Abgrund gestürzt.
    Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück, krallte sich am Sicherheitsgurt fest und atmete ein paarmal tief durch. Sie war noch nicht aus dem Schneider. Mindestens ein Reifen hing in der Luft, und das Auto wippte bei der kleinsten ihrer Bewegungen, schien aber halbwegs stabil gelagert zu sein. Ganz vorsichtig und so geschmeidig wie möglich kletterte sie über die Gangschaltung auf den Beifahrersitz und drückte die andere Tür auf. Sie öffnete sich nur einen Spalt weit: Die rechte Seite des Wagens war durch einen Baum blockiert.
    Fluchend krabbelte sie auf den Fahrersitz zurück. Immer noch regnete es, sogar stärker als zuvor. So, wie das Auto jetzt stand, kam sie nicht aus ihm heraus. Ihre einzige Chance bestand darin, den Wagen zu bewegen.
    Sie startete den Motor, der so anstandslos ansprang, dass sie vor Erleichterung fast geweint hätte. Sie legte den Rückwärtsgang ein und trat auf das Gaspedal.
    Nichts tat sich – nichts außer durchdrehenden Rädern und einem gefährlichen Schaukeln der

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