Das Haus der toten Mädchen
konnte er einfach nicht umgehen.
Als er mit einem Quilt in der einen und einem schlecht ausgestatteten Erste-Hilfe-Kasten in der anderen Hand ins Wohnzimmer zurückkam, stellte er fest, dass sie getan hatte, wie er ihr geraten hatte: Sie saß näher am Feuer und rieb ihr Haar trocken, ohne die Wunde zu berühren.
„Wickle dich da hinein“, kommandierte er barsch und gab ihr den alten Quilt.
„Auf keinen Fall!“ entgegnete sie entsetzt. „Das ist ein doppelter Ehering.“
„Ein was?“
„Ein Doppelring-Quilt“, erklärte sie, als spräche sie mit einem Idioten. „Vermutlich aus den Dreißigern. Den werde ich ganz sicher nicht mit Blut und Erde einsauen.“
„Wickel dir den Scheiß-Quilt um, oder ich werde das tun“, zischte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Vorsichtig legte sie sich die Decke um die Schultern und zuckte zusammen, als er ihren Kopf berührte. „Quilts kann man waschen“, fügte er versöhnlich hinzu. Sie hatte einen netten kleinen Schnitt an der Schläfe, der reichlich geblutet hatte, aber allmählich schien die Blutung nachzulassen. Er träufelte etwas Peroxid auf einen Tupfer und säuberte die Wunde, wobei er zaghafter vorging, als es ihm lieb war. Er wollte sie nicht sanft behandeln. Das würde nur zu weiteren Zärtlichkeiten führen, und er kam zu dem etwas verspäteten Schluss, dass das gar nicht gut wäre.
„Er ist antik“, meinte sie. „Der Stoff ist schon ganz mürbe. So einen Quilt muss man sehr behutsam reinigen. Bring ihn besser ins Gasthaus; ich werde mich darum kümmern.“
„Wer, zum Teufel, bist du? Warst du in deinem vorigen Leben Hauswirtschaftslehrerin?“ knurrte er. Die Wunde war nicht sehr tief, und sie blutete jetzt nicht mehr, aber er klebte trotzdem ein Pflaster darüber. Sicher war sicher.
„Ja, so ungefähr. Gewissermaßen. Ich schreibe eine Haushaltskolumne für eine Frauenzeitschrift.“ Ihr Tonfall klang ein ganz klein wenig defensiv.
„Wie kommt es dann, dass du nicht verheiratet bist?“ Jesus, warum stellte er bloß solche Fragen? Wollte er unbedingt Ärger?
Zum Glück war ihr offenbar nicht nach Zank zumute, denn sie antwortete ausweichend: „Das geht dich nichts an.“
„Da hast du Recht“, pflichtete er ihr bei. Er war jetzt mit dem Pflaster fertig. „So, mehr kann ich im Augenblick nicht tun.“ Das Handtuch war blutverschmiert, und er warf es in einen der freien Korbsessel.
„Was hast du da draußen im Regen gesucht?“ fragte sie misstrauisch. „Es ist kaum das Wetter für einen Mondscheinspaziergang.“
„Stimmt, so ganz ohne Mondlicht.“ Er zog sich einen der Sessel heran und nahm Platz. Nah genug, um sie zu berühren, wenn er wollte. Und er wollte.
Sie blickte ihn an. „Vielleicht bist du gerade von einer kleinen Spritztour auf der Route 16 zurückgekommen. Vielleicht bist du derjenige, der mich von der Straße gedrängt hat.“
„Und warum sollte ich das tun?“ wandte er lakonisch ein. „Dich umzubringen war nicht gerade die Fantasie, die mir den ganzen Tag im Kopf herumgespukt hat.“
Sie wurde tatsächlich rot. Es lag nicht nur an der Hitze des Feuers: Ihre Wangen wurden rosig, und sie wandte erregt den Kopf ab. „Also, warum hast du dich in so einer Nacht draußen herumgetrieben?“
„Dein Auto steht nur ein paar hundert Meter von hier. Ich habe gehört, wie du zu schnell in die Kurve gegangen bist und wie die Kiste im Graben gelandet ist. Ich habe sogar gehört, wie du dir danach die Lunge aus dem Leib geheult hast. Immerhin hattest du damit aufgehört, als ich dich gefunden habe. Glaub mir, von der Straße abzukommen ist kein ausreichender Grund für so eine Heul-Orgie.“
„Ich habe nicht geweint, weil ich im Graben gelandet bin“, erwiderte sie und brachte ihn damit eine Minute zum Schweigen.
Nur eine Minute. „Okay“, räumte er ein. „Also, weshalb glaubst du, dass dich jemand umbringen wollte?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
„Doch, hast du. Du hast gesagt, du glaubst, ich hätte dich von der Straße drängen wollen. Ich war es nicht, also muss es ein anderer getan haben. Hast du hier in der Gegend Feinde?“
„Nur dich.“
Das brachte ihn zum Lachen. „Herzchen, du bist so naiv.“
Ihre Wangen wurden noch röter, und er wusste, dass er außerstande war, heute Nacht die Finger von ihr zu lassen. Obwohl ihm klar war, dass das für sie beide das Beste wäre, konnte er sie einfach nicht ziehen lassen.
„Es war keine Absicht“, erklärte sie. „Der Typ war bestimmt betrunken, und
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