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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daran, daß sie Ihnen gelingt –, dann haben Sie die Medizin um ein Jahrhundert weitergebracht.«
    »Aber wer weiß das?« schrie Volkmar. »Wem nutzt es? Nur Ihnen!«
    »Und den Herzkranken, die unter Ihrem Messer liegen werden.«
    »Millionenschwere Herzen …«
    »Richtig.«
    »Ich forsche und arbeite nicht für einen Millionärsclub, sondern für alle Kranken! Das aber wird mir unmöglich gemacht, weil ich ja tot bin! Mein Gott, was muß in Ihrem Gehirn vorgehen, daß es sich so etwas ausdenken kann?! Sie wollen mich zu einer Operationsmaschine machen, die nur für Sie arbeitet!«
    »Warum vergröbern Sie immer alles, Enrico?!« Dr. Soriano zeigte auf den Frühstückstisch. »Wollen wir nicht doch etwas zu uns nehmen?«
    »Nein!«
    »Bitte. Wie Sie wollen, Dottore.« Soriano ging unter das Sonnensegel, setzte sich in den gepolsterten Korbsessel und griff nach dem obligatorischen Glas Milch, das er jeden Morgen als erstes trank. »Ich habe Hunger und bin so unhöflich, trotz Ihrer Weigerung dennoch zu essen. Enrico, ich weiß, daß Ihnen die Decke auf den Kopf fällt, und es nutzt gar nichts, daß sie mit Seide bespannt ist. Sie brauchen nur einen Ton zu sagen: Ein Wagen steht zur Verfügung, und in einer halben Stunde befehlen Sie über eine chirurgische Klinik. Sie wissen, wie komplett wir eingerichtet sind. Nein, Sie wissen es nicht. In den vergangenen vierzehn Tagen haben wir alles herangeschafft, was uns noch fehlte. Technisch sind wir jetzt unschlagbar. Es fehlt nur noch das Genie, das mit dieser Technik zaubern kann. Sie kasteien sich selbst und wissen ganz genau, daß es ein Protest in einem Vakuum ist.«
    »Wo ist Loretta?« fragte Dr. Volkmar heiser.
    »Sie ist schon früh nach Palermo gefahren. Ich glaube, sie will Sie mit einem Geschenk überraschen. Bitte, verraten Sie nicht, daß ich das ausgeplaudert habe, aber Sie hätten es mir sonst nicht geglaubt. Enrico, blicken Sie mich nicht mit tötenden Blicken an! Sie sind Arzt, Sie müssen Leben erhalten!«
    »Ihr Zynismus ist unüberbietbar, Dr. Soriano!« sagte Volkmar dumpf.
    »Sie sollten wirklich die Forschungsberichte Dr. Nardos lesen, Dottore. Eine Katastrophe! Trotz Ihrer Teflon-Idee! Aber seit drei Tagen sind wir auch im Besitz einer Gefäßklammermaschine à la Demichow.«
    »Wie kommen Sie denn an die heran?« fragte Volkmar entgeistert.
    Dr. Soriano lächelte milde. Die Mauer um seinen Gast bröckelte schon ab. »Warum glauben Sie mir nicht, daß für mich nichts unmöglich ist? Kommen Sie her, Enrico. Frühstücken Sie! Worthlow hat Jasminhonig besorgt, eine Köstlichkeit, sage ich Ihnen! Ein Duft …« Soriano klopfte mit dem Löffel gegen ein kleines Glas auf dem Tisch. »Seit zwei Tagen übt Dr. Nardo mit der Gefäßklammermaschine an Leichen, Hunden und Katzen. Im Kühlkeller stehen – oder besser: liegen zur Zeit zehn Tote zur Verfügung …«
    Volkmar war es, als rinne ihm ein Eisstück auf der blanken Haut den Rücken herunter. Er schluckte, ehe er weitersprach.
    »Sie haben Leichen? Woher haben Sie Leichen?«
    »Ich habe sie gekauft«, antwortete Soriano leichthin.
    »Was haben Sie?«
    »Enrico, versuchen Sie, sizilianisch zu denken. Sizilien ist ein wunderschönes, aber auch armes Land. Je tiefer Sie ins Innere vordringen, in die winzigen Dörfer vor allem, desto lauter schreit Ihnen das Elend entgegen. Geburt und Tod ist für jeden ein natürlicher Vorgang, und beides kostet Geld. Da ist nun ein Mann gestorben oder eine Frau, und zu den Hinterbliebenen kommt jemand und sagt: ›Wenn ihr den lieben Toten morgen in die Erde senkt, ist er weg und ihr habt nichts. Wenn ich ihn aber mitnehme, ist er auch weg, aber ihr habt 250.000 Lire auf dem Tisch liegen. Außerdem wird euch der Sarg bezahlt und ein gutes Essen in der Taverne.‹ Was, glauben Sie, werden die armen Bauern tun? Sie lassen den Toten vom Pfarrer aussegnen, aber bevor sie den Deckel schließen, tauschen sie die Leiche gegen Feldsteine aus. Reden Sie jetzt nicht von Pietät, Enrico! Ob wir einen Toten kaufen, oder man liefert, wie das bei Ihnen in den Unikliniken üblich ist – Landstreicher, Unbekannte, Menschen ohne Verwandte oder andere überflüssige Tote bei der Anatomie ab – wo ist da der Unterschied? Im Gegenteil, wir erfreuen sogar noch die Hinterbliebenen! Sie umarmen meine Aufkäufer wie den reichen Onkel aus Amerika.« Soriano ließ auf seine Toastschnitte einen dünnen Streifen des goldvioletten Honigs laufen. Seine Nasenflügel weiteten sich. »Ich wollte

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