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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weibliches Personal ging nur die Hausdame an. Auch Loretta fragte nicht, als sich Anna bei ihr vorstellte und die Schönheit der Signorina bewunderte wie eine Himmelserscheinung. Später, als Loretta im großen Speisesaal Mittelpunkt einer Gesellschaft war, saß Anna in dem großen Ankleidezimmer, hatte alle Schränke geöffnet und musterte die Unzahl der Kleider und Abendkleider. Wie kann man so reich sein! Wie kann man soviel Prunk bezahlen? Wie kann ein Mann allein soviel Geld verdienen?
    Sie dachte an die Bergbauern auf Sardinien, an die Hirten und Kleinhandwerker, die Händler und Tagelöhner. An die Welt, in der sie aufgewachsen war und die sie nie verlassen hätte, wenn nicht ein Mann gekommen wäre, der Luigis Körper aufschlitzte.
    Der Mann!
    Sie schlich sich aus dem Zimmertrakt Lorettas und versuchte, einen Blick in den Speisesaal zu werfen. Sie hörte Gelächter. Livrierte Diener eilten mit silbernen Tabletts hinein und heraus. Worthlow kommandierte seine Garde wie ein Feldherr und sah Anna erstaunt an. Da rannte sie wieder weg, hinaus in den Park, und drückte das Gesicht gegen die Scheibe einer der großen Glastüren.
    Funkelndes Geschmeide, Abendkleider, nackte Rücken, halb verhüllte Busen, weiße Smokings, sogar ein paar Fräcke, gleißendes Licht aus venezianischen Kristalleuchtern, schimmernde Seidentapeten, Marmorverkleidungen, blitzender Mosaikboden im altrömischen Stil, ein langes Buffet mit kunstvollen Aufbauten aus eßbaren Dingen, die Anna noch nie gesehen hatte. Und dann erkannte sie Enrico …
    In einem weißen Smoking stand er neben der Signorina Loretta, trank ein Glas Champagner und lachte. Er war braun gebrannt und so männlich schön, daß Annas Atem schneller ging.
    Er ist da, dachte sie. Ich bin doch im richtigen Haus. Wenn Enrico hier ist, dann ist hier auch der Mann, der Luigi aufgeschlitzt hat. Freue dich, Luigi. Gesegnet sei dein Steingrab hinter unserer Hütte. Du kannst gerächt werden.
    In den folgenden Tagen tat Anna ihre Arbeit still, bescheiden, fleißig und demütig. Loretta war mit ihr zufrieden, sie bemerkte Anna kaum, so lautlos war sie.
    Aber immer, wenn Loretta sie nicht mehr brauchte, war sie auf der Jagd nach einer Möglichkeit, Dr. Volkmar zu sehen oder gar ihn zu treffen. Sie hatte nach zwei Tagen entdeckt, daß man von einem Flachdach des Flügels, in dem der große Saal lag, ungehindert in den Park, zum Swimming-pool und zum Tennisplatz blicken konnte. Hier lag Anna in jeder freien Minute hinter Blumenkübeln oder Steinstatuetten, gegen die stechende Sonne ein Tuch über dem Kopf, und starrte hinunter zu Enrico, sah, wie er schwamm, wie er Loretta auf dem Tennisplatz besiegte, wie er mit Dr. Soriano auf der Terrasse diskutierte, wie Besucher mit ihm sprachen oder wie er mit Loretta nach Stereomusik tanzte. Es sah alles wunderschön aus, aber Anna tat es im Herzen weh.
    Sie knirschte mit den Zähnen, wenn Loretta mit Enrico eng umschlungen tanzte, und sie biß sich in ihre Fäuste, wenn er sie nach einem Tennismatch an sich zog und küßte.
    Natürlich liebt sie ihn, dachte Anna. Sie muß ihn lieben. Wer könnte Enrico nicht lieben? Und so schön, wie sie ist – wer kann es Enrico übelnehmen, wenn er ihr nicht ausweicht? Aber das wird sich ändern, wenn er mich sieht! Mich hat er zuerst geküßt, in unserer Steinhütte auf dem Gennargentu. Und auch ich bin hübsch, auch wenn du es nicht bemerkst, Signorina Loretta!
    Sie begann, mit ihrem Schminkkasten zu üben, tuschte die Lider, legte Lidschatten auf, umzog die Augen mit einem Strich, daß sie mandelförmig aussahen, zog die Umrisse ihrer roten Lippen mit einem Konturstift nach und verrieb Make-up auf ihrem Gesicht, damit es nicht so glänzte, sondern so vornehm samtig wirkte wie bei der Signorina.
    Loretta fiel das am fünften Tage auf.
    »Bist du verliebt?« fragte sie beiläufig, als Anna ihr das Haar bürstete.
    »Ja, Signorina.«
    »Das ist schön!« Loretta lächelte und dachte an Volkmar. »Ist man da nicht gleich ein anderer Mensch?«
    »Ein ganz anderer, Signorina.«
    »Leider hast du wenig Freizeit, nicht wahr?«
    »Es reicht, Signorina. Es ist so schön bei Ihnen.«
    »Wenn du einen besonderen freien Tag haben willst – sag es mir ruhig, Anna.«
    »Danke, Signorina. Ich bin glücklich, wenn ich hier sein kann.«
    Und dann lag sie wieder auf dem Flachdach, sah Volkmar beim Schwimmen zu, und an einem frühen Morgen sah sie ihn sogar nackt aus dem Wasser kommen und ein paarmal um den Pool laufen. Im

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