Das Haus der verlorenen Herzen
Haus schlief noch alles.
Von da an träumte sie von diesem Anblick: Der nackte Männerkörper, der beim Laufen jeden Muskel spielen ließ und eine wilde Kraft verriet.
Nur den Mann, der Luigi aufgeschlitzt hatte, sah sie nicht.
Paolo Gallezzo war auf dem Festland, um feinmechanische Maschinen aufzukaufen, mit denen man Gefäßnahtmaschinen auf Klammerbasis herstellen konnte.
Im Tierkeller des Trakts III des ›Altersheimes‹ gingen die Transplantationsversuche weiter. Affen, Schweine, Hunde, Katzen und gemästete Ratten lagen auf den Steintischen und bekamen fremde Herzen eingepflanzt.
Dr. Nardo und sein Team arbeiteten jetzt nach den Methoden Dr. Volkmars, aber es war deutlich, daß Dr. Nardo damit überfordert war. Die technischen Voraussetzungen waren vorhanden, man hatte die Methoden genau studiert, die Publikationen Volkmars immer wieder gelesen und durchgesprochen. Aber was ist die beste Theorie wert, wenn nicht ein Könner sie in die Praxis umsetzt!
Am längsten überlebten die Ratten und Kaninchen. Ihre Herzen waren leicht genug, um an den Gefäßen zu hängen, bis auch hier die Nähte nach einiger Zeit rissen und die Tiere, wie damals der Mensch Melata, nach innen verbluteten. Zu Abstoßungserscheinungen kam es erst gar nicht; die Gefäßwände kapitulierten früher.
Dr. Nardo erschien nach neun Tagen bei Dr. Soriano im Stadtbüro, also in der Anwaltskanzlei, und gab seine Berichte ab. Tagebücher, Filme, Fotos, Röntgenaufnahmen und Tonbänder, auf die alle Beobachtungen gesprochen worden waren.
»Es ist unmöglich!« sagte Dr. Nardo nach seinem Vortrag zu Dr. Soriano. »Trotz Teflon und anderen prothetischen Hilfen. Dr. Volkmars Gegner haben recht: So kann man kein Herz transplantieren! Unmöglich! Die Gefäßwände müssen immer einreißen! Es gibt nur die Möglichkeit, die bisher am weitesten im Experiment fortgeschritten ist: die Teilverpflanzung. Da haben wir festes Muskelfleisch, da halten die Nähte! Hier ist unsere Grenze allein nur gezogen durch die Immunreaktion. Aber das ist kein chirurgisches Problem, sondern ein biochemisches. Chirurgisch können wir partielle Herztransplantationen vornehmen, die sitzen wie eine Zahnprothese! Das ist nur Technik, Don Eugenio. Wir müssen auf den Mann warten, der es fertigbringt, die Koagulationsnekrose aufzuhalten! Dr. Volkmars Operationstraum bleibt ein Traum.«
»Für Sie, Pietro!« Dr. Soriano legte beide Hände auf den Stapel der Forschungsberichte. »Ich glaube an Dr. Volkmar, und ich irre mich da nicht. Ich habe mich bisher noch nie geirrt, so eingebildet das auch klingen mag!«
»Bringen Sie Dr. Volkmar an den OP-Tisch, Don Eugenio. Sie werden dann auch seine Niederlagen akzeptieren müssen. Bei Melata …«
»Der Fall war von Beginn an aussichtslos. Das wissen wir doch alle. Wir wollten doch bloß sehen, wie Dr. Volkmar ein solches Problem angeht! Wir haben ihn überrumpelt, und er hat uns gezeigt, wie mutig er sein kann, wenn er ein Skalpell in der Hand hält.«
»Er ist bis an die natürliche Grenze gegangen. Weiter kann er nicht kommen!«
»Grenzen! Wer hat vor ein paar Jahren daran gedacht, daß man Satelliten in den Weltraum schießen kann?! Wer hat geglaubt, daß es jemals möglich sein wird, einen Lichtstrahl so zu bündeln wie den Laserstrahl, daß er Panzerplatten schmelzen kann?! Und da soll der Mensch vor seinem eigenen Herzen kapitulieren?! Alles ist nur eine Frage der Zeit.«
»Und Sie haben Zeit, Don Eugenio?«
»Ja, ich habe sie!« sagte Dr. Soriano laut. »Und Dr. Volkmar auch! Weihnachten weihen wir das Kinderkrankenhaus in Camporeale ein. Ein Kardinal wird den Segen des Heiligen Vaters überbringen. Schon im Januar wird Dr. Volkmar mit seiner Herztransplantation beginnen. Nicht am Tier. Von Mensch zu Mensch!«
»Weiß er das schon?«
»Nein.«
»Er wird nicht wollen.«
Dr. Soriano schüttelte langsam den Kopf. »Er wird! Bis dahin sind es noch fünf Monate. Sie trauen mir doch zu, Dr. Nardo, in fünf Monaten einen Menschen umzuwandeln, der meine Tochter liebt?«
Vierzehn Tage nach der mißglückten Herztransplantation bei Arrigo Melata weigerte sich Dr. Volkmar, zu frühstücken.
Wie immer hatte Worthlow den Tisch auf der Terrasse vor der Säulenhalle gedeckt, doch überspannte jetzt eine Art Sonnensegel aus orangefarbenem Stoff den Sitzplatz. Die Augustsonne brannte aus dem wolkenlosen, blaßblauen Himmel, und auch die unmittelbare Nähe des Meeres bot keine Kühlung mehr. Sizilien im Hochsommer kann eine
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