Das Haus der verlorenen Herzen
Klinikausstattern Kontakt aufgenommen und den unter der Erde liegenden chirurgischen Teil des großen Baues nach den Ratschlägen der Fachleute umgestaltet, vor allem die bakterienfreien Schleusen zwischen OP und Krankenzimmern, die Röntgenabteilung und die Entkeimungsanlagen. Kurzum: die totale Sterilität, die Dr. Volkmar in seinen medizinischen Veröffentlichungen gefordert hatte, wurde erreicht. Was Gallezzo da in Rom aufgezogen hatte, war nur optischer Natur, gleichsam eine psychologische Angel, an der Volkmar zappeln sollte. Wenn er zu arbeiten begann, sollte er das Gefühl haben, die Klinik sei allein sein Werk. Und es stärkte Sorianos Position: Ein Wunsch, von Volkmar geäußert, wurde umgehend erfüllt, obwohl man sonst wochenlange Wartezeiten einkalkulierte. Das war eine Demonstration von Sorianos Stärke – daß alles längst auf Abruf in den Kellern lagerte, brauchte keiner zu wissen. Auch Dr. Nardo nicht.
Es war also ein Freitag, als Anna das Schlafzimmer Lorettas aufräumte und dabei auf einen der kleinen zum Park hinaus gelegenen Balkone trat. Unter ihr lag der Teil des großen Besitzes, auf dem Soriano einen Neun-Löcher-Golfplatz angelegt hatte. Er benutzte ihn wenig, aber er wurde gepflegt, wie ein Golfplatz gepflegt werden muß. Ein sattgrüner Rasenteppich erstreckte sich bis zu einem kleinen künstlichen See, und über diesen Grasteppich schritt zufrieden, in Hemdsärmeln, einen fahrbaren Golfköcher hinter sich herziehend, Paolo Gallezzo. Er trug eine runde, weiche Mütze mit einem langen Plastikschirm, blieb am Anfang der Spielbahn stehen, überblickte die Hindernisse und die Lochflaggen und wählte dann, nachdem er den Golfball plaziert hatte, aus dem Köcher den nach seiner Ansicht günstigsten Driver.
Anna umklammerte das kunstvoll geschmiedete Eisengitter des Balkons und starrte hinunter in den Park. Sie erkannte den Mann, der Luigi aufgeschlitzt hatte, sofort wieder. Einen solchen Menschen vergißt man nicht.
»Es ist soweit«, sagte sie leise. »Maria, hilf mir!«
Sie ging zurück ins Haus, betrat den großen Salon Lorettas und sah sich um. Drei Madonnen, Gemälde von Tintoretto und anderen berühmten Malern, hingen an den Wänden. Sie suchte sich die Madonna aus, die am gütigsten blickte, am mütterlichsten, am verzeihendsten, bekreuzigte sich und kniete vor ihr nieder. Sie betete stumm, senkte den Kopf tief und beichtete ebenso stumm, alles was nach der Ansicht des Pfarrers von Sorgono des Beichtens würdig war. Die sündigen Gedanken an Enrico gehörten dazu, ihre Sehnsucht nach seiner Umarmung, das Kopfkissen, das sie sich manchmal nachts zwischen die Schenkel klemmte, wenn ihr Drang zu übermächtig wurde, die Lauscherposten, an denen sie ihre freien Stunden verbrachte, nur um einen Blick auf Dr. Volkmar werfen zu können … alles breitete sie aus und kam sich hinterher so leicht vor und zugleich so fremd vor sich selbst, daß sie in einen Spiegel blickte, um zu sehen, ob sie noch Anna Talana war.
Sie ging in ihr Zimmer unter dem heißen Dach des Hauses, wühlte unter der Matratze ihres Bettes das zweiseitig geschliffene Messer heraus und steckte es in ihre Bluse. Der kalte Stahl lag auf ihren Brüsten, und diesen Druck empfand sie geradezu wollüstig, er pflanzte sich fort durch den ganzen Körper, ihre Brustwarzen steiften sich, die Innenseiten der Schenkel vibrierten, ein betörendes Ziehen durchzuckte ihren Unterleib, sie lehnte sich an die Wand und atmete heftig, als käme sie gerade aus den Armen Enricos, lustvoll gefoltert durch seine Männlichkeit.
Paolo Gallezzo blieb verblüfft stehen und starrte auf das Hindernis, das mit einem Golfplatz nichts zu tun hatte. Dann schnaufte er durch die Nase und fragte sich, ob er weiterspielen sollte oder sich der neuen Situation anpassen: Vor ihm, am Eingang einer Zypressenhecke, die einen Rosengarten umrandete, streckte sich ein blanker Mädchenhintern in die Sonne. Schlanke Beine, kräftige Schenkel, ein rundes Gesäß, zusammengekniffen, aber doch einen Busch schwarzer Locken verratend. Das Mädchen schien nicht zu merken, daß es beobachtet wurde – es blieb tief nach vorn gebückt und pflückte die Blumen, die wild in der Hecke wuchsen.
Gallezzo spürte ein Jucken auf der Kopfhaut, warf seinen Driver hin, leckte sich über die Lippen und schwenkte vom Golfplatz weg zum Rosengarten. Im gleichen Moment richtete sich das Mädchen auf und ging mit wiegenden Hüften durch den Eingang der Hecke. Die war in zwei Meter Höhe
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