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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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sie sich ganz sicher sein. Lady Maude biß sich
auf die Lippe. Es gab noch einen zweiten Grund: Wenn Sir John erst
einmal die Wahrheit wüßte, würde sie keinen Frieden
mehr finden. Er würde sie umkreisen wie ein großer,
zottiger Wachhund, jede ihrer Bewegungen beobachten und endlose
Vorträge halten, wie man »vorsichtig und gesund«
lebte. Lady Maude senkte den Kopf. Laß das Kind gesund sein,
betete sie. Nie würde sie vergessen, wie Matthew gestorben
war. Sir John, sonst mutig wie ein Löwe, hatte dagesessen wie
ein kleiner Junge, ohne ein Wort, ohne ein Seufzen - stumm waren
ihm endlose Tränen übers Gesicht gelaufen.
    Sir Johns Gedanken
gingen einen ähnlichen Weg: Er hatte Athelstan feierlich
versprochen, die Sache nicht zur Sprache zu bringen, bevor seine
Frau es täte. Außerdem hatte er versprochen, Vincentius
unbehelligt aus London verschwinden zu lassen. Aber das - Cranstons
Augen wurden schmal - würde er sich noch einmal überlegen
müssen. Vielleicht sollte man im neuen Jahr Briefe an alle
Sheriffs von England schicken und Doktor Vincentius und sein
gottloses Treiben auf den Friedhöfen anderer Leute schildern?
Der Coroner schaute hinüber zu Athelstan, der sich munter mit
Leif, dem Bettler, unterhielt.
    »Bruder, bleibst
du zum Essen?«
    »Nein, Sir John,
ich muß gehen. Vielleicht ein andermal?«
    »Und die Sache
im Tower?«
    Athelstan erhob sich.
»Ich weiß nicht, Sir John. Vielleicht ist es das beste,
wenn Ihr eßt und über das nachdenkt, was wir bisher
herausgefunden haben. Morgen sprechen wir darüber, hm?«
Voller Bewunderung schaute er auf die Einmachgläser, die Lady
Maude da füllte. »Ihr erwartet Gäste zu
Weihnachten?«
    »Eigentlich ja,
Pater«, antwortete sie. »Meine Verwandten aus Tiverton
in Devon.« Lady Maude warf einen amüsiert
ärgerlichen Blick auf Cranstons Grimasse. »Sie sollten
kommen, aber die Straßen sind unpassierbar; nicht einmal
Boten kommen durch. Ich habe mit einer der Ratsherrengattinnen
gesprochen; das Geschäft ihres Mannes hat arg gelitten. Alle
seine Reisenden, die in den Südwesten wollten, mußten
umkehren.« Athelstan lächelte, und Lady Maude wandte
sich wieder ihren Einmachgläsern zu und hatte Mühe, ihre
Aufregung zu verbergen, als Athelstan dem Coroner erzählte,
daß eines seiner Gemeindemitglieder, ein gewisser Doktor
Vincentius, Southwark für immer verlasse. Lady Maude verbarg
ihr Gesicht. Sie bedauerte, daß der Arzt fortging. Er war ein
überaus tüchtiger Mann. Seufzend starrte sie auf den
Tisch. Nun würde sie sich einen anderen guten Arzt suchen
müssen; einen, der besser war als die üblichen Blutsauger
von Cheapside.   
    Athelstan zwinkerte
Cranston zu, verabschiedete sich und trat hinaus auf die dunkle
Straße. Er holte Philomel aus dem Stell des Heiligen Lammes
und ritt durch die Dunkelheit heimwärts. Beim Gedanken an Sir
Johns Reaktion auf seine Neuigkeiten mußte er leise lachen.
Hoffentlich hatte Lady Maude zugehört, als er von
Vincentius’ Abreise gesprochen hatte. Vielleicht,
überlegte der Ordensbruder, war es so am besten für alle.
Plötzlich geriet Philomel auf einer vereisten Stelle ins
Rutschen. Athelstan stöhnte auf, stieg ab und führte den
alten Gaul vorsichtig am Zügel über die dunkle
Straße. Die Häuser ringsumher wirkten düster. Vor
jedem der großen Herrenhäuser in der Cheapside brannte
eine Öllampe, aber als Athelstan bei St. Peter Comhill um die Ecke
bog und zur Bridge Street hinunterging, wurden die Straßen
dunkler. Vorsichtig mußte er sich seinen Weg bahnen, zwischen
Müll, Nachtkot und Essensabfällen hindurch, wo die Ratten
knabbernd umherhuschten. Hinter ihm wurde eine Tür
zugeschlagen, und ein Nachtvogel, der unter der Dachkante eines
Hauses nistete, flatterte in einer Wolke schwarzer Federn auf,
daß Athelstan zusammenfuhr. Bettler wimmerten um Almosen.
Eine Hure stand an der Ecke; die orangegelbe Perücke, die
struppig über ihrem rötelgeschminkten Gesicht thronte,
sah im Licht der Kerze in ihrer Hand um so gespenstischer aus. Sie
lachte, als Athelstan vorüberzog, und machte eine obszöne
Gebärde. Er schlug ein Kreuz in ihre Richtung. Ein
Schläger, der an der Tür einer Ale-Schenke lehnte, sah
die einsame Gestalt herankommen und tastete nach dem Holzgriff
seines Messers. Aber als er Athelstans Tonsur und das Kruzifix an
seinem Hals sah, überlegte er es sich anders.
    Athelstan zog weiter;
erleichtert sah er im Fackelschein die Soldaten, die an der London
Bridge auf Posten standen. Die

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