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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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landete.
    »Bonaventura!«
murmelte er. Der Kater kam herangetappt und rieb sich
majestätisch am Bein des Ordensbruders. »Nun, Herr
Kater, seid Ihr gekommen, um zu speisen?«
    Der Kater streckte
sich und machte dann einen Buckel. Athelstan ging in die
Speisekammer, goß Milch in eine rissige Zinnschüssel und
sah zu, wie der Kater alles aufschleckte, bevor er sich vorm Feuer
ausstreckte. Athelstan ging zum Fenster und schloß die
Läden. Fenster, Türen, Gänge, dachte er - und
Rothands Gestammel und Simons düstere Warnungen gingen ihm
durch den Kopf. Neidisch sah er den Kater an. »Manche
haben’s gut«, knurrte er und setzte sich wieder an
seine Pergamente. Er nahm sich jeden Namen einzeln vor und baute
eine Argumentationskette auf, als gelte es, eine theologische
Disputation zu verfassen.
    Die Stunden vergingen.
Athelstan rieb sich müde die Augen. Nur ein Weg blieb noch:
der, den Lady Maude ihm mit ihrer unschuldigen Bemerkung gezeigt
und der ihn so abrupt nach Southwark hatte zurückkehren
lassen. Athelstan zeichnete einen groben Grundriß des Tower
und bedachte die Schlüsse, die er gezogen hatte. Kurz vor
Tagesanbruch war er dann endlich zufrieden. Er hatte den
Mörder gefunden - mehr aber nicht. Für alles weitere
brauchte er Cranston.
    Am nächsten
Morgen ritt Sir John wie ein junger Ritter die Cheapside hinunter
zur Goldenen Mitra. Er hatte das Gefühl zu schweben. Sogar der
kalte Morgenwind war warm und sanft wie die Liebkosung einer jungen
Frau.
    Cranston hatte Lady
Maude auf das leidenschaftlichste umarmt, bevor er aufgestanden
war. Tränenreich hatte sie sich an seine Brust geschmiegt und
gestammelt, daß sie bald mit ihm sprechen wolle. Er hatte
süße Nichtigkeiten gemurmelt, ihr den Kopf gestreichelt,
und dann war er aufgestanden, hatte sich angekleidet und war nach
unten gegangen. Dort hatte er nach einem Becher Sherry
gebrüllt, während ein Hausknecht sein Pferd sattelte. Zu
wissen, daß er wieder Vater werden würde, machte ihn
stolz wie einen Pfau. Er belohnte sich mit einem Schluck aus seinem
»wunderbaren Weinschlauch«, wie Athelstan ihn nannte,
und genoß den kräftigen roten Saft. Überschwenglich
strahlte er in die Runde. Oh, der Tag war herrlich und das Leben
eine Wonne! 
    Sir John streute einer
Schar Bettler, die fröstelnd an der Ecke der Mercery hockten,
eine Handvoll Pennies hin. Er brüllte den
Geflügelmetzgern, die an ihren großen Eisenbottichen
standen und Hühner und anderes Federvieh für das
Weihnachtsfest säuberten und ausnahmen, fröhliche
Beschimpfungen zu. Eine Hure wurde mit nackten Schultern durch die
Straßen geführt; auf ihrem kahlrasierten Schädel
trug sie eine spitze weiße Mütze. Ein Dudelsackpfeifer
schritt vor ihr her, und ein gekritzeltes Schild, das an ihrem
schmutzigen Mieder steckte, erklärte sie zur stadtbekannten
Schlampe. Cranston hielt die Prozession an und befahl, sie
freizulassen.       
    »Aber warum, Sir
John?« fragte ein rattenmäuliger Büttel
verblüfft.
    »Weil
Weihnachten ist!« dröhnte Cranston. »Und weil
Christus, der schöne Knabe aus Bethlehem, wieder zu uns
kommt!«
    Der Büttel wollte
widersprechen, aber Cranston griff nach seinem Dolch, und der Kerl
schnitt die Fesseln durch. Die Frau streckte dem Büttel die
Zunge heraus, bedachte Cranston mit einer obszönen Geste und
huschte durch eine Gasse davon. Sir John ritt weiter nach Petty
Wales. An der Schenke warf er dem Hausknecht die Zügel zu und
betrat den angenehm duftenden Schankraum.
    »Mönch, wo
zum Teufel steckst du?« brüllte er, daß die
anderen Gäste um ihr liebes Leben fürchteten und der Wirt
mit aufgerissenen Augen angelaufen kam, um ihn zu
bedienen.
    »Sir John, Ihr
seid glücklich?«
    »Glücklich
wie eine Fliege auf einem Pferdearsch im Sommer!«
brüllte Sir John und warf dem Wirt den wunderbaren
Weinschlauch zu. »Vollmachen! Der Bruder hat gesagt, wir
treffen uns hier«, knurrte er. Er spähte durch das
verräucherte Halbdunkel, sah Athelstan dösend an einem
Tisch sitzen und nickte.
    »Bring mir einen
Becher Wein«, befahl Cranston dem Wirt. »Frische
Haferbrötchen und einen Streifen gedörrten Speck.«
Er schmatzte. »Für den Bruder eine dicke Suppe - und
auch wenn Advent ist, wird er einen Krug verdünntes Ale nicht
ablehnen!«
    Der Coroner trat
breitbeinig an Athelstans Tisch und klopfte dem dösenden
Ordensbruder auf die Schulter. »Auf, auf, Bruder!«
blökte er. »Denn, verflucht, der Teufel geht um wie ein
brüllender Löwe und sucht, wen er

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