Das Haus des Windes
hätten uns erwischt, bevor wir genug Geschwindigkeit aufgenommen hätten. Ungelenk und dicht aneinandergedrängt stiegen wir ab und schoben unsere Räder. Cappy wehrte noch einen Hund mit dem Pfeffer ab, ich zwei mit meinem Knüppel. Die Hunde erholten sich von dem Pfeffer und kamen, vor Rachedurst geifernd, wieder angerannt. Sie bildeten einen Kreis und rückten steifbeinig vor. Cappy ließ die Dose fallen, und sie kippte um.
Oh, Shit, sagte er. Wir sind tot.
Wir brauchen Feuer!, schrie Angus. Ich knüppelte einen Hund zu Boden. Er sprang wieder auf. Plötzlich drehten alle Hunde den Kopf und spitzten die Ohren. Das ganze Rudel tat einen Satz und jagte davon. Wir hörten, wie in dem kleinen Haus die Tür zuschlug.
Bestimmt füttert sie sie, sagte Cappy.
Maaj!, schrie Angus. Wir sprangen auf unsere Räder und flogen den Rest der Straße hoch, fast ohne die Steigung zu bemerken. Dann rannten wir mit den Rädern durch den Wald und hievten sie über den Maschendrahtzaun. Auf dem Friedhof waren wir in Sicherheit. Es fing schon an zu dämmern. Durch die dichten Nadelbäume unterhalb konnten wir bruchstückhaft die erleuchteten Fenster des Priesterhauses sehen. Bergab schoben wir unsere Fahrräder darauf zu. Die Angst, die ich vor dem Friedhof gehabt hatte, wurde von Erleichterung verdrängt. Bei den hundelosen Toten fühlte ich mich sicher. Wir ließen uns Zeit, bis es beinahe dunkel war, und zeigten einander unterwegs wichtige Gräber. Alle hatten wir gemeinsame Vorfahren hier und dort verstreut. Der Wind frischte auf, und in dem blauen Wald rief wieder und wieder ein Regenvogel.
Es ist Zeit, sagte Cappy, als wir unten angekommen waren.
Das Tor wurde locker von einer Kette mit Vorhängeschloss zusammengehalten. Wir drückten es auf und fädelten unsere Fahrräder durch. Verstohlen schoben wir sie zum Rand des Kirchhofs. Das Gras war kurz gemäht und feucht vom abendlichenTau. Wir schlichen uns an das Haus ran, eine eingeschossige ausgebaute Holzhütte. Father Travis lebte allein. Wir duckten uns hinter einen dürren Busch. Aus dem Haus war das leise Murmeln eines Fernsehers zu hören. Wir krochen einmal ums Haus herum bis zu dem Fenster, wo das Geräusch am lautesten war.
Ich will reingucken, flüsterte Angus.
Der sieht dich, sagte ich.
Angus hob den Kopf. Da sind Jalousien. Er tauchte schnell wieder ab. Er sitzt da und guckt!
Hat er dich gesehen?
Weiß nicht.
Wir schlichen wieder auf die am besten sichtgeschützte Seite zurück. Da waren Schritte im Haus und ein jäher Lichtschwall aus dem Fenster über unseren Köpfen. Dann herrschte Stille. Der Umriss des Priesters ragte bedrohlich hinter dem Vorhang auf. Wir pressten uns an die Holzvertäfelung. Direkt hinter unseren Köpfen begann es leise zu plätschern.
Cappy formte lautlos mit den Lippen: Pisst der jetzt? Ich zuckte mit den Schultern, denn es klang eher so, als hätte jemand eine Flasche aufgeschraubt und würde behutsam einen kleinen Wasserstrahl in die Toilette tröpfeln lassen. Es dauerte lange, und es gab Unterbrechungen. Dann rauschte die Spülung, der Wasserhahn ging an und aus, das Licht wurde gelöscht, und eine Tür schlug zu.
Er ist ein Leisepisser, sagte Cappy.
Na ja, er ist Priester, sagte Angus.
Pissen die anders?
Die haben keinen Sex, sagte Angus. Vielleicht rosten die Leitungen ein, wenn man sie nicht regelmäßig durchspült.
Als hättest du ’ne Ahnung, sagte Cappy.
Bleibt ihr mal hier.
Ich kroch um das Haus auf den bläulichen Schimmer des Fernsehers zu. Jeder, der in den Garten kam oder unterhalbder schwarzen Kiefernreihe entlanglief, hätte mich sehen können. Ich stand auf und lehnte mich langsam Richtung Fenster. Es stand offen, um die sommerliche Brise hereinzulassen. Ich sah Father Travis’ Hinterkopf. Er saß in einem Sessel vor dem Fernseher, und neben seinem Ellbogen stand ein echtes Stadtbier, ein Michelob. Ich konnte mir erst nicht erklären, was er ansah, bis ich kapiert hatte, dass es ein Film war. Kein Fernsehfilm.
Ich duckte mich wieder und schlich zurück. Er hat einen Videorecorder!
Was guckt er denn?
Diesmal ging Cappy nachschauen. Kurz darauf kam er zurück und sagte, es sei Alien , ein Film, der zwei Stunden außerhalb des Reservats im Kino gelaufen war und von dem wir nur hirnerweichende Geschichten kannten, weil wir keine Chance hatten hinzukommen und sowieso unter der Altersgrenze waren. Im Reservat gab es noch keine Videothek.
Bestimmt gehört ihm der Film, sagte ich und hatte das offene
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