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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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ein Funkeln über uns gekommen.
    Es war so real, sagte ich. Das Funkeln.
    Jesus lebt, sagte Zack, und dann wiederholte er diese Worte wieder und wieder, in einem leisen, aber anschwellenden Sprechgesang, der den Typen – später erfuhren wir, dass er Neal hieß – so elektrisierte, dass er aufstand und wie wir seine tattrige Hand hob, um den Heiligen Geist zu spüren. Mit dem Geist über uns und dem tropfenden Neal in unserer Mitte, züchtig bekleidet, trat unsere kleine Gruppe aus dem Gebüsch hervor und rief im Chor, was Zack uns vorgab. Heilig, heilig, o Gott, ist das heilig! Halleluja. Lobet den heiligen Leib. Lobet Christi Stehvermögen. Heilig ist Maria, voll der Gnade. Heilig das Lamm und das Rind. Gebenedeit bist du, fruchtigen Leibes! Zack war ein lausiger Katholik. Father Travis hatte seine Herde nur kurz verlassen, um etwas zu erledigen, und kam jetzt mit Angus zurückgeeilt. Die Soutane flatterte ihm um die kräftigen Beine. Aber zu spät. Er sah nur noch, wie wir, von orangefarbenen T-Shirts eingekreist, einander um den Hals fielen, flennten und ekstatisch die Hände hochwarfen. Alles, was er tun konnte, als Cappy sich auf ihn warf und Danke, Herr Jesus! Danke! Danke! heulte, war, dass er Cappy so fest auf den Rücken klopfte, dass er aufstöhnte, und mir einen Blick zuwarf wie ein eingesperrter Falke. Nach diesem Blick wollte ich ihm lieber nicht noch einmal in die Augen sehen. Ich wandte mich ab und stieß mit der Traumfrau zusammen, die ein wenig abseits stand und an die Wahrheit dachte und an Cappy, wie er aus dem Wasser kam. Das sah ich in ihrem Blick. Und ich sah, dass es keinen Widerspruch gab. Man könnte auch sagen, sie war verliebt.
    Die Traumfrau hieß Zelia und war den ganzen weiten Weg aus Helena, Montana, hergekommen, um Indianer zu bekehren, von denen keiner in einem Tipi lebte und von denen viele hellhäutiger waren als sie selbst, und das verwirrte sie.
    Zack fragte, warum sie nicht in Montana blieb und erst mal da die Indianer bekehrte.
    Welche Indianer?, fragte sie.
    Ach, die, sagte Cappy schnell. Die sind alle schon längst Mormonen und Zeugen und so was da drüben. Für die interessiert sich doch keiner. Du solltest besser hier weiter missionieren. Hier gibt’s lauter Heiden.
    Ah, sagte Zelia. Na ja, von anderen Missionen halten wir uns sowieso meistens fern.
    Sie war Mexikanerin und kam aus einer sehr behütenden Familie. Die Eltern waren dagegen gewesen, dass sie in einer Gefahrenzone missionierte, sagte sie, aber irgendwann hatte sie doch ihren Kopf durchgesetzt.
    Eigentlich bist du auch Indianerin, sagte ich zu ihr. Sie sah beleidigt aus, also schob ich nach: Vielleicht eine edle Maya.
    Bestimmt bist du Aztekin, sagte Cappy. Das war später, am Nachmittag. Wir hatten uns für die letzten zwei Tage von Father Travis’ Sommerprogramm eingeschrieben, um der Traumfrau nahe zu sein. Sie und Cappy flirteten schon.
    Ja, ich wette, du bist Aztekin. Cappy musterte sie halb im Scherz. Du könntest einem Mann locker in die Brust greifen und sein Herz rausreißen.
    Sie wandte den Kopf ab, aber sie lächelte dabei.
    Zack hob die Faust und machte quietschende Pumpbewegungen. Padump, padump. Aber keiner der beiden beachtete ihn. Wir drei wussten, dass es für uns keine Hoffnung gab. Cappy war der Einzige. Aber wir wollten trotzdem in ihrer Nähe sein und hofften, dass sie versuchen würde, uns so richtig zu bekehren.
    Als ich nach Hause kam, war der Energieschub meiner Mutter nur wenig abgeflaut. Sie hatte zwei rosige Flecken im Gesicht. Ich begriff, dass sie Rouge aufgetragen hatte. Sie nahm Eisentabletten und noch ein paar andere. Sechs Pillendosen standen nebeneinander im Küchenschrank. Sie hatte zum AbendbrotFelsenbirnen-Pfannkuchen gemacht. Mom und Dad hörten skeptisch zu, wie ich erzählte, dass ich in die Jugendbegegnungsgruppe eingetreten war und anderntags in der Kirche erwartet wurde.
    Jugendbegegnung? Mein Vater kniff die Augen zusammen. Du hast bei Whitey gekündigt, um einer Jugendbegegnungsgruppe beizutreten?
    Ich habe bei Whitey gekündigt, weil er Sonja vermöbelt hat.
    Meine Mutter erstarrte.
    Schon gut, sagte mein Vater schnell. Und was begegnet euch so?
    Wir machen Rollenspiele. Zum Beispiel darüber, wenn einem Drogen angeboten werden. Wir stellen uns vor, Jesus wäre da, um sich zum Beispiel zwischen Angus und den Drogendealer zu stellen. Oder zwischen mich und den Drogendealer, zum Beispiel, nicht, dass das passieren würde.
    Stimmt, sagte mein Vater. Ihr seid

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