Das Haus des Windes
ihrem Löffel und tunkte ihn in den Eintopf. Sie würgte ihren ersten Bissen herunter. Ich saß still da. Wir sahen beide meinen Vater an.
Ich habe Kümmel drangetan, sagte er sanft. Was meint ihr dazu?
Meine Mutter nahm eine Papierserviette von dem Stapel, den mein Vater auf den Tisch gelegt hatte, und betupfte sich die Lippen. Tief violette Striemen und gelbe, halb verheilte Blutergüsse bedeckten noch immer ihr Gesicht. Das Weiß in ihrem linken Auge war scharlachrot, und ihr Lid hing ein wenig herab, was von da an so bleiben sollte, weil der Nerv für immer beschädigt war.
Also, was denkt ihr?, fragte mein Vater noch einmal.
Meine Mutter und ich schwiegen, so schockiert waren wir durch das, was wir eben geschmeckt hatten.
Ich denke, sagte sie endlich, dass ich wieder anfangen sollte zu kochen.
Mein Vater senkte den Blick und streckte die Hände vor sichaus wie jemand, der sein Bestes gegeben hat. Er schob ein wenig die Unterlippe vor und schaufelte mit einem gespielten Appetit, der mit jedem Bissen angestrengter wirkte, das Essen in sich hinein. Er schluckte, und er schluckte noch einmal. Ich konnte es gar nicht fassen, wie willensstark er war. Ich nahm mir Brot nach. Sein Löffel wurde immer langsamer. Meine Mutter und ich begriffen wahrscheinlich beide im selben Moment, dass mein Vater, der jahrelang meine Großmutter versorgt hatte und sehr wohl kochen konnte, seine Unfähigkeit nur vorgetäuscht hatte. Aber dieser Auflauf mit seinem widerwärtigen Gestank von verfaulten Zwiebeln war so eindrucksvoll misslungen, dass es uns aufmunterte, ebenso wie der Entschluss meiner Mutter, wieder kochen zu wollen. Als ich das eklige Essen wegräumte und der Pie auf den Tisch kam, lächelte sie mit einer leichten Aufwärtsbewegung der Mundwinkel. Mein Vater teilte den Pie in drei gleiche Portionen und krönte jedes Stück mit einer Kugel Blue-Bunny-Vanilleeis. Das von meiner Mutter durfte ich zu Ende essen. Mit meinem Vater flachste sie über den Auflauf.
Wie alt waren die Rüben genau?
Älter als Joe.
Und wo hattest du diese Zwiebel her?
Das bleibt mein Geheimnis.
Und das Fleisch? Ist das überfahren worden?
Iwo, das lag tot im Garten.
* * *
Es machte mir nicht viel aus, das Abendessen ausgelassen zu haben, weil ich wusste, dass Cappy und ich als sein Gehilfe nach Randalls Schwitzhütte fürstlich speisen würden. Wir waren die Hüter des Feuers. Cappys Tanten Suzette und Josey, die Does Jungs als ihre Maskottchen betrachteten, kümmerten sich jedes Mal um das Essen. Am Tag der Zeremonie stellten sie in zwei großen Plastik-Kühlboxen neben der Garage ein Festmahl bereit. Weit dahinter, fast schon im Wald, wölbte sich die Kuppelder Schwitzhütte aus gebogenen, zusammengebundenen Weidenruten, mit Zeltplanen aus Armeebeständen bedeckt, und füllte sich mit Feuchtigkeit und Mücken. Cappy hatte das Feuer schon entfacht. In seiner Mitte begannen die Großvater-Steine zu glühen. Unsere Aufgabe war es, dieses Feuer in Gang zu halten, die heiligen Pfeifen und die Medizin in die Hütte zu reichen, mit langstieligen Schaufeln die Steine zum Eingang zu tragen und die Plane zu öffnen und zu schließen. Wenn jemand aus der Hütte danach verlangte, weil ein Gebet es erforderte, warfen wir auch Tabak in unser Feuer. In kalten Nächten machte es Spaß – dann saßen wir gemütlich am warmen Feuer und redeten. Manchmal rösteten wir heimlich Marshmallows oder Würstchen am Stock, obwohl es ein heiliges Feuer war und Randall uns schon einmal erwischt hatte. Er hatte behauptet, wir hätten mit unseren Hotdogs dem Feuer seine Heiligkeit geraubt.
Cappy sah ihn an und sagte: Wie heilig kann das Feuer schon sein, wenn unsere schrumpligen Würstchen ihm die ganze Kraft raussaugen? Ich bekam einen Lachanfall. Randall rang die Hände und stapfte davon. Heute war es zu heiß, um irgendetwas zu rösten, und wir wussten ja, dass wir hinterher reichlich essen würden. Das Essen war unsere Bezahlung, und manchmal eine Fahrt in Randalls verbeultem Olds. Es war eigentlich ein angenehmer Job. Aber an dem Abend kühlte es nicht ab, sondern wurde immer drückender. Es war vollkommen windstill. Noch vor Sonnenuntergang wurden wir von sirrenden Wolken aus Mücken eingehüllt. Unter ihren Angriffen rückten wir näher an das Feuer heran, in den schützenden Rauch, wovon wir nur umso verlockender schwitzten. Die Biester stachen uns durch dicke Lagen aus salzigem, rauchigem Mückenspray hindurch.
Randalls Freunde, die alle zu einer
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