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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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Powwow-Trommelgruppe gehörten oder tanzten wie er, trudelten lachend ein. Zwei von ihnen waren total breit, aber Randall merkte es nicht. Er hatte diesen Tick, alles ganz ordentlich arrangieren zu müssen – diePfeifenständer, den Sternenquilt neben dem Eingang, die Abalone-Schale für den Salbei, die Gläser mit der pulverisierten Medizin, den Eimer und die Schöpfkelle. Er schien ein Lineal im Kopf zu haben, mit dem er die heiligen Gegenstände immer gleich anordnete. Cappy machte das wahnsinnig. Aber anderen gefiel Randalls Stil, und er hatte in sämtlichen Reservaten Freunde – gerade an dem Tag hatte er ein Paket von einem befreundeten Pueblo bekommen und ein Schraubglas mit Medizin darin gefunden, das jetzt in der Reihe mit den anderen stand. Er summte ein Pfeifenstopf-Lied und setzte seine Pfeife so konzentriert zusammen, dass er die Mücken nicht bemerkte, die seinen ganzen Nacken bedeckten. Ich wischte sie weg.
    Danke, sagte er geistesabwesend. Ich werde für deine Familie beten.
    Okay, cool, sagte ich, obwohl ich mich unwohl dabei fühlte. Ich mochte es nicht, wenn jemand für mich betete. Als ich mich abwandte, fühlte ich die Gebete meine Wirbelsäule hochkriechen. Aber so war Randall eben: immer bereit, dir mit seinem überlegenen Ernst und all dem, was er von den Ältesten lernte – sogar von deinen eigenen Vorfahren – ein schlechtes Gewissen zu machen. Mooshum war es gewesen, der Doe beigebracht hatte, wie man eine Schwitzhütte vorbereitet, und Doe hatte das Wissen an Randall weitergereicht. Cappy bemerkte meinen Blick.
    Mach dir nichts draus, Joe. Für mich betet er auch. Und seine Medizinmann-Nummer bringt ihm jede Menge Mädchen ein. Da muss er in Übung bleiben.
    Randall hatte ein strenges Profil, glatte Haut und einen langen geflochtenen Zopf. Die Mädchen fanden ihn wahnsinnig faszinierend, besonders die weißen. Eine Deutsche hatte einmal im Sommer einen ganzen Monat lang in seinem Garten gezeltet. Sie war hübsch und trug die ersten Gesundheitslatschen, die je im Reservat gesichtet worden waren, und damit wurde Randall dann aufgezogen. Irgendwer hatte sich die Sandalen näherangesehen und festgestellt, dass sie von Birkenstock waren, und das war seither Randalls Spitzname.
    Die Hitze wurde immer schlimmer, und wir tranken kellenweise von dem heiligen Schwitzhüttenwasser. Ich beneidete die Jungs, die in die Hütte durften, weil es da drin so heiß war, dass es ihnen später draußen angenehm kühl vorkommen würde. Außerdem würde die Glut der Großväter die Mücken erledigen. Sie gingen alle rein. Cappy und ich trugen mit den langen Schaufeln die Steine bis zum Eingang. Randall nahm sie uns mit Hilfe von zwei Hirschgeweihen ab und legte sie in die Mulde in der Mitte der Hütte. Wir reichten all die anderen Sachen rein und schlossen die Plane. Sie fingen drinnen zu singen an, und wir bedeckten uns mit einer frischen Lage Mückenspray.
    Nach drei Runden hatten wir den letzten Großvaterstein in die Hütte gereicht. Wir waren ins Haus gegangen, um den Wasserspender aufzufüllen, und kamen gerade wieder raus, als alles explodierte. Es schrie nicht mal jemand Tür , damit wir die Plane öffneten, sondern die ganze Schwitzhütte wölbte sich plötzlich hoch und wogte, weil die Männer drinnen darum kämpften rauszukommen. Sie tobten und fuchtelten unter den Planen. Gedämpftes Heulen drang heraus. Dann platzten sie in alle Richtungen aus der Hütte, japsten, schrien und rollten nackt durchs Gras. Die Mücken stürzten sich auf sie. Wir rannten mit dem Wasserspender zu ihnen runter. Randall und seine Kumpel zeigten auf ihre verkniffenen Gesichter, und wir duschten sie ab. Sobald sie sich aufgerappelt hatten, humpelte oder rannte einer nach dem anderen Richtung Haus. Gerade in dem Moment kamen Cappys Tanten mit einer Extraration Frybread für das Festmahl vorgefahren und erblickten acht nackte Indianer, die sich taumelnd durch den Garten tasteten. Suzette und Josey blieben einfach im Auto sitzen.
    Als endlich alle im Haus zwischen den Müllbergen saßen, dauerte es noch eine ganze Weile, bis sie den Schock so weit verdaut und sich zusammengereimt hatten, was passiert war.
    Ich glaube, sagte Skippy schließlich, es war dieses Pueblo-Zeug. Weißt du noch? Du hattest gerade eine große Handvoll auf die Steine geworfen und deinem Kumpel dafür gedankt und ein langes Gebet gesprochen.
    Ein langes, langes Gebet, Birkenstock. Dann hast du Wasser draufgekippt …
    Oh, verdammt, sagte Randall.

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