Das Haus in den Dünen
die Messerhand seines Angreifers zu schlagen.
Mit dem Beil in der Hand fühlte er sich sicher. Er spähte hinaus in die Dunkelheit. Das Scheppern war von der Frachthalle gekommen. Vielleicht waren dort Einbrecher am Werk, die das Unwetter für einen nächtlichen Besuch in der Firma ausnutzten, und vielleicht waren sie schon damals bei seiner Abfahrt in der Nähe gewesen, um das Gelände auszubaldowern. Vielleicht hatten sie erst heute Nacht die richtige Gelegenheit gefunden – bei schönem Wetter verirrten sich nachts öfters mal verliebte Paare in diese Gegend, um sich im Wagen etwas näherzukommen.
Genauso musste es sein, ein paar Einbrecher, dreiste Halunken, die es auf die Getränkekasse und die Automaten abgesehen hatten. Sollte er zur Fahrzeughalle hinübergehen? Er zögerte.
Erneut zuckte ein Blitz durch die Nacht. Doch diesmal, so hatte er den Eindruck, war der Donnerhall vor dem Blitz gekommen. Ein heftiger Schmerz durchfuhr seinen Körper. Bevor er überhaupt begriff, was geschehen war, blitzte es erneut. Doch der Blitz zuckte nicht aus den tiefen Wolken, er zuckte hinter den abgestellten Containern hervor und züngelte direkt auf ihn zu. Ein zweiter Schlag traf seinen Körper. Diesmal ungleich heftiger. Er stürzte zu Boden. Was war nur passiert?
Er sah die Laterne, die am Verwaltungsgebäude befestigt war, wie durch einen roten Schleier. Plötzlich verdeckte ein dunkler Schatten das Licht.
»… nein … was soll …«, stammelte er.
Es waren seine letzten Worte, bevor sein Leben in einem lauten Knall zerbrach.
*
»Der Mechaniker, ein gewisser Dragan Vukovic, hat ihn heute früh so gegen fünf neben seinem LKW gefunden und sofort die Kollegen vom Revier verständigt«, erklärte Dietmar Petermann und zog seinen Mantelkragen höher.
Es war frisch am heutigen Morgen, und nachdem die Sonne aufgegangen war, stiegen milchige Schwaden vom Boden auf. Kleine, schwarze Schildchen mit weißen Zahlen standen scheinbar wahllos aufgereiht auf dem grauen und feuchten Asphalt im Betriebshof der Intertrans im Industriegebiet West.
»Weiß man schon, wer er ist?«, fragte Trevisan und wischte einen Schweißtropfen von seiner Stirn. Er hatte sich nach dem Anruf am frühen Morgen beeilt.
»Hans Kropp, Fernfahrer«, antwortete Dietmar. »Ist wohl heute Nacht von einer Tour aus Spanien zurückgekommen.
Drei Schüsse. Einer traf ihn im rechten Oberschenkel, der andere in der Nierengegend. Das hat dem Täter offenbar nicht gereicht, da hat er ihm auch noch ein Stück von seinem Kopf weggeschossen. Aus nächster Nähe, meint Kleinschmidt.«
»Und woher kennt er die Reihenfolge der Schüsse?«
»Zweimal Gewehr und einmal eine Pistole.«
Trevisan nickte. Der Polizeifotograf war noch damit beschäftigt, Bilder vom näheren Tatort aufzunehmen. Direkt neben dem Toten lag eine Axt.
»Hat Kleinschmidt eine Vermutung?«, fragte Trevisan seinen Kollegen.
»Er sucht noch nach der Stelle, von wo aus geschossen worden ist«, entgegnete Dietmar. »Es wäre möglich, dass Kropp ein paar Einbrecher überrascht hat.«
»Einbrecher mit Gewehren und Pistolen?«
»Nicht ganz handelsüblich, was?«
Kleinschmidt tauchte hinter einem Container an der Nordwestseite eines langgestreckten Gebäudes auf und marschierte auf den Zaun zu, der das Betriebsgelände umgab. Trevisan beeilte sich, den Chef der Spurensicherung einzuholen. »Moin, Horst.«
Kleinschmidt tastete mit suchenden Blicken den Boden ab, als könne ihm der Asphalt verraten, was in der Nacht hier geschehen war. »Jetzt auch noch das«, knirschte er knurrig. »Als ich angerufen wurde, dachte ich, es hätte wieder mal gebrannt. Und jetzt liegt hier eine Leiche. Das ist vielleicht ein beschissenes Jahr.«
»Dietmar sagte etwas von einem Einbruch?«
Kleinschmidt winkte ab. »Das war seine Theorie. Für mich sieht das eher so aus, als ob der Täter dem Opfer aufgelauert hat.«
»Aufgelauert?«
»Dort hinten gibt es einen recht frischen Schlitz im Zaun. Mit einer Metallschere gemacht. Ansonsten wurde nichts aufgebrochen. Noch nicht einmal Ansatzspuren für einen Versuch sind vorhanden, obwohl es genügend ungesicherte Fenster als Einstiegsmöglichkeiten gibt. Nein, hier hinter dem Container saß jemand und hat in aller Seelenruhe abgewartet, bis der Fernfahrer aufgetaucht ist. Dann hat er ihn mit einer Flinte bewegungslos geschossen und anschließend mit einem Schuss in die Schläfe hingerichtet. Das deutet nicht unbedingt auf einen Einbruch hin, oder?«
Trevisan nickte
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