Das Haus in den Dünen
stumm.
»Ich habe drei Hülsen gefunden«, fuhr Kleinschmidt fort. »Zwei lagen neben dem Container, eine in der Nähe des Toten. Linksauswerfer, wenn du mich fragst. Selbstladepistole und Jagdgewehr. Zumindest dem Kaliber nach. Die Pistole 7,65 mm und die Gewehrgeschosse dürften 9,3 mm haben. Ich schätze auf 9,3 x74. Ein handelsübliches Format für jagdbares Wild aller Art, Menschen eingeschlossen.«
»Sonst noch etwas?«
»Ja, aber das ist komisch. Neben der linken Hand des Toten lag ein Hemdknopf. Ein ganz normaler Knopf ohne Verzierungen. Dutzendware. Der Tote trägt aber ein T-Shirt, eine kurze Sporthose und eine Regenjacke mit Reißverschluss. Der Knopf könnte also vom Täter stammen.«
»Spuren eines Kampfes?«
»Nein, überhaupt nicht. Wenn der Knopf zum Täter gehört, dann ist er wohl aus Altersschwäche abgefallen. Das Opfer, obwohl der Mann ein ordentliches Kraftpaket gewesen ist, hatte keine Chance. Ich glaube, bevor der wirklich kapierte, was los ist, war er schon tot.«
Trevisan ging hinüber zu den Containern und schaute in Richtung der Leiche. Aufmerksam musterte er das Gelände. Kleinschmidt hatte recht. Ein idealer Ort, um jemandem aufzulauern. Die Entfernung zum Leichnam betrug knapp fünfzig Meter. Er schaute auf das gegenüberliegende Verwaltungsgebäude und sah die Laterne, die auf dem Dach montiert war. Sogar für Büchsenlicht hatte man gesorgt.
»Hallo, Martin!«
Trevisan fuhr herum. Monika Sander und Tina Harloff standen vor ihm.
»Ich dachte, ihr seid mit dem Mechaniker beschäftigt?«, sagte Trevisan überrascht.
»Das machen Alex und Till.« Tina Harloff wies auf die beiden PKW, die neben dem dritten Gebäude standen. »Wir haben uns den Wagen des Ermordeten vorgenommen. Der rote Ford gehört ihm, der andere Wagen dem Mechaniker.«
»Habt ihr etwas gefunden?«
Monika Sander reichte Trevisan einen Fetzen Papier, der in einer Plastiktüte steckte.
… dazu rate ich dir sonst zien wir dir das Fell über die Ohren. Versuc …
Die Schrift, mit blauer Tinte auf ein normales, liniertes Papier geschrieben, wirkte krakelig und unbeholfen. Der Rest der Mitteilung war abgerissen und fehlte.
»Das ist sehr interessant.« Trevisan zeigte Kleinschmidt den Zettel. »Gibt es sonst noch was?«
»Ordentlich scheint er nicht gewesen zu sein«, entgegnete Monika Sander. »Der Wagen gleicht einer Müllkippe. Bierdosen, Zigarettenstummel und allerlei zerknülltes Papier. Aber nichts mehr, das uns weiterhelfen könnte. Der Fetzen lag auf der Mittelkonsole.«
»Sag ich doch«, mischte sich Kleinschmidt ein und wies auf die Container neben der Halle. »Ein idealer Platz, um jemandem aufzulauern.«
»Ich denke, wir sollten herausfinden, was für ein Leben der Tote führte«, überlegte Trevisan. »Es scheint, dass er nicht nur Freunde hatte.«
*
Dragan Vukovic war ein blasser und hagerer Mann mit einem kantigen Gesicht und dichten schwarzen Haaren. Nervös saß er auf seinem Stuhl im kleinen Aufenthaltsraum neben der Werkstatt und kaute an seinen Fingernägeln.
»Hans arbeitete schon seit zwei Jahren bei uns«, sagte Vukovic. »Er ist vor sieben Tagen mit Druckmaschinen nach Spanien gefahren und kam in der Nacht mit Kunststoffteilen aus Pamplona zurück.«
Till Schreier hatte neben ihm Platz genommen, während sich Alex Uhlenbruch an die große Scheibe lehnte, die den Blick in die Werkstatt ermöglichte. Vukovic zitterte.
Till führte das Gespräch und hatte einen Notizblock vor sich liegen. Das kleine, silberne Bandgerät stand hochkant auf dem Tisch, das Mikro auf Vukovic gerichtet.
»Waren Sie mit ihm befreundet?«
»Befreundet ist zu viel gesagt. Wir waren Arbeitskollegen. Manchmal tranken wir zusammen ein Bier.«
»War es eigentlich normal, dass Kropp seinen Wagen einfach so im Hof abstellte, wenn er mit Fracht beladen war?«
»Wenn der Fahrer spät zurückkehrt, dann ist das nicht ungewöhnlich. Unsere Fahrer haben einen Schlüssel für das Tor. Sie stellen den Wagen ab und entladen ihn am nächsten Morgen. Das ist ganz normal.«
Till Schreier nahm das blaue Heft in die Hand und blätterte es auf. »Hier steht als Fahrtende 22.41 Uhr. Ist das die Handschrift von Hans Kropp?«
Er zeigte Vukovic das Fahrtenbuch, das sie im Führerhaus des LKW gefunden hatten.
»Wird er wohl gewesen sein«, erklärte der. »Die Fahrer füllen es aus, wenn sie ihren Bock hier parken. Ist für die Spesenabrechnung. Gestern hat es stark geregnet. Eigentlich wollte er bis neun zurück sein. Aber
Weitere Kostenlose Bücher