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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wie sie die Bodenhaftung verloren, und hatte Mühe, den Wagen wieder unter Kontrolle zu bringen. In einem kleinen Dorf stellte er ihn ab und ging in ein Pub, wo er einen Whisky bestellte. Während er wartete, erblickte er im Spiegel über dem Kaminsims sein weißes Gesicht, das regennasse, wirre rote Haar und die blitzenden Augen, in deren Ausdruck sich Wut, Ärger und Angriffslust mischten. Kein Wunder, dass der Wirt sich so beeilte, ihm seinen Scotch zu bringen, dachte er grimmig und amüsiert zugleich. Kein Wunder, dass die anderen Gäste Abstand hielten.
    Als er später wieder in seinen Wagen stieg, ließ er nicht gleich den Motor an, sondern starrte eine Zeit lang reglos zum Fenster hinaus in den Regen, der die dunklen Formen der Häuser verwischte. Er konnte ihrer Voreingenommenheit die Schuld an dem Desaster geben oder seinem eigenen ungeschickten Verhalten. Aber das änderte nichts. Die Wahrheit war, dass er sich eine Zukunft ohne Isabel Zeale nicht mehr vorstellen konnte, auch wenn er sich das bis zu diesem Augenblick nicht eingestanden hatte. Es half nichts, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass er sie kaum kannte, dass sie ihm gesellschaftlich nicht ebenbürtig war und dass ihm die Vernunft gebot, eine Frau seines eigenen Standes zu heiraten, die vielleicht Geld mit in die Ehe bringen würde. Er war schon an sie gebunden, auch wenn er nicht verstand, wie es dazu gekommen war.
    Bisher hatte er im Leben alles bekommen, was er wollte. Und er wollte das Beste von allem, was es zu bieten hatte – Macht, Reichtum, Erfolg. Nachdem er sich einmal entschlossen hatte, den Wohlstand der Familie Finborough wiederherzustellen, hatte er dieses Vorhaben mit ganzer Kraft in Angriff genommen und viel von dem Terrain, das sein Vater verloren hatte, wiedergewonnen. Was die Frauen anging, so log er nicht, wenn er sagte, dass er noch nie einen Korb bekommen hatte.
    Richard schloss die Augen und nickte ein. Als er wieder erwachte, war das Pub geschlossen, und hinter den Fenstern des Hauses brannte kein Licht mehr. Er wendete den Wagen und fuhr nach Lynton zurück. Es hatte aufgehört zu regnen, und der Himmel war klar. Durch das fast kahle Geäst der Buchen über der schmalen Straße zum Orchard House fiel das Licht des Vollmonds. Vor dem Haus hielt er an und wartete.
    Einige Stunden später, als es allmählich hell wurde, stieg er aus dem Wagen, um sich die Füße zu vertreten. In der Nacht war es kalt geworden, und die Pfützen waren rundum von einem filigranen Eisrand eingefasst. Als er auf dem Ascheweg zum Haus ging, meinte er, drinnen den Schein einer Öllampe zu erkennen. Dann wurde die Tür geöffnet, und Isabel Zeale kam heraus. Sie trug ein Umschlagtuch über ihrem Nachthemd, und das dunkle Haar fiel ihr lang und schwer den Rücken hinunter.
    Sie ging ihm entgegen, und er bemerkte, wie müde das blasse, von Schatten gezeichnete Gesicht aussah.
    Â»Es tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe«, sagte er. »Ich habe mich bemüht, leise zu sein.«
    Â»Was wollen Sie von mir, Mr. Finborough?«, fragte sie flüsternd.
    Â»Wenn ich Ihnen gestern Abend zu nahe getreten bin, so bitte ich dafür um Entschuldigung. Aber ich entschuldige mich nicht dafür, dass ich Ihnen meine Liebe gestanden habe.«
    Sie schloss einen Moment die Augen. »Mr. Finborough, wenn Sie auch nur einen Funken Anstand haben, nur die geringste Achtung vor mir, dann gehen Sie jetzt bitte.«
    Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Sie haben mich gefragt, was ich von Ihnen will. Ich möchte, dass Sie meine Frau werden, Isabel.« Mit einer abwehrenden Handbewegung schnitt er ihr das Wort ab. »Sagen Sie jetzt nichts. Ich muss nach London. Aber denken Sie darüber nach. Bitte, denken Sie darüber nach. Ich komme in einer Woche wieder. Dann können Sie mir Ihre Antwort geben.«
    Er ging zur Straße zurück, warf einen letzten Blick auf sie, als er den Wagen wendete. Sie stand im Garten, eine reglose weiße Gestalt, zu Eis erstarrt.

    Zurück in London, vernahm Richard mit Erleichterung, dass bei dem Brand in der Fabrik niemand verletzt worden war, und vertrieb sich, wenn er nicht gerade die vom Feuer angerichteten Schäden besichtigte, die Zeit damit, Isabel Zeale Geschenke zu schicken.
    Treibhausblumen am ersten Tag, einen spektakulären Strauß, der vom Blumengeschäft in London per Eisenbahn bis nach Lynton befördert

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